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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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liebten.
    Heute Nacht.

    Es war früher Nachmittag, als Silvia sich von der Ausgrabung davonstahl. Sie ging ohne ein Wort des Abschieds zu irgendjemandem, und sie nahm Sal mit. Schweren Herzens trottete sie zu Bastians Haus und fand es leer vor. Michaela war ausgegangen. Sie legte den Lieblingsstock des Hundes, das Halsband, das sie für ihn gemacht hatte, und eine hastig gekritzelte Notiz auf Bastians Schreibtisch.

    Pass gut auf ihn auf, Bastian.
    Und auf dich. Und Michaela.
    Ich bin weg, auf Wanderschaft.
    Ciao.
    Rico.

    »Lebe wohl, Sal«, sagte sie zu dem Hund und drückte ihn ein letztes Mal liebevoll an sich. »Sei ein guter Junge für Bastian und Michaela. Du kannst sicher sein, dass sie gut für dich sorgen werden.«
    Als sie das Haus verließ, versuchte Ricos Hund, ihr zu folgen, doch sie wehrte ab. »Nein, Sal, du gehörst jetzt zu ihnen.« Sie schloss sorgfältig die Tür und ließ ihn im Haus zurück. Sperrte ihn aus ihrem Leben aus, so wie sie die Tür zu Bastian und Michaela schloss – vor diesem Leben, das nicht ihres war.
    »Ich werde euch vermissen«, flüsterte sie. Und dann lief sie fluchtartig weg, fest entschlossen, ihre gegenwärtige Existenz hinter sich zu lassen. Einen Fuß vor den anderen zu setzen, auf dem Weg zum Aquädukt. Eine halbe Stunde später legte sie sich in der Schlafnische nieder, wo sie Rico vor einem Monat gefunden hatte.
    Und innerhalb von Minuten hatte sie sich wieder erhoben und strich ihr Vestalinnengewand glatt. Die Spitzen ihres goldroten Haares fielen ihr bis zur Taille. Sie war wieder die Geistwandlerin. Unsichtbar für jeden in dieser Welt, es sei denn, sie beschloss, sich zu zeigen.
    Feierlich sah sie den Jungen mit der olivfarbenen Haut an, der in der Nische des Aquäduktes lag. Der Rattenbiss an seinem Knöchel war wieder frisch, so frisch wie damals, als sie ihn gefunden hatte. Bastian würde ihn vermissen, und es tat ihr unendlich leid, ihm damit weh zu tun. Aber Michaela würde sich eine Lüge ausdenken, denn sie wusste, dass Rico am nächsten Tag nicht wiederkommen würde.
    In einigen Stunden würde der Vollmond aufgehen. Es war Zeit für einen weiteren, endgültigen Abschied. Sie beugte sich über Rico und berührte seine Hand.
    »Ich habe deinen Wunsch erfüllt«, versicherte sie ihm. »Sal hat ein gutes Zuhause. Es wird ihm gutgehen. Nun kannst du in Frieden ruhen.« Sie strich sein dunkles widerspenstiges Haar zurück und küsste ihn auf die Stirn. »Lebe wohl, Rico.«
    Auch wenn er schon vor Wochen gestorben war – erst jetzt wurde sein Körper leblos. Von diesem Augenblick an, nachdem sie ihn verlassen hatte, würde er anfangen zu verwesen. Sie stieß einen schwachen Seufzer aus und trat einen Schritt zurück. Er war in Ordnung gewesen – immer gut aufgelegt. Und er hatte ihr einiges über das Stehlen beigebracht. Eine nützliche Fähigkeit, die sie nun ihrer wachsenden Liste an Halbtalenten hinzufügen konnte. Sie verschloss ihr Herz vor dem Kummer und zwang sich dazu, sich abzuwenden. Über die Jahre hinweg hatte es viel zu viel Kummer dieser Art gegeben. Manchmal war das alles einfach zu schmerzhaft.
    In dem verzweifelten Wunsch, dem Schmerz dieser Welt zu entfliehen, und sei es nur für eine Weile, beschloss Silvia, sie zu verlassen. Im Schutz des Aquäduktes bildete sie mit den Händen eine Schale und blies darauf, um ein Feuer zu erschaffen.
    Sie würde Pontifex heute früher als gewöhnlich besuchen, lange bevor in dieser Welt der Mond aufging. Danach würde sie hierher zurückkehren und sich in irgendein Versteck verkriechen, um ihre unsichtbaren Wunden zu lecken. Und sich auszuweinen.

    Nur Minuten später stand Silvia wieder vor Pontifex in der Anderwelt. Sie kämmte sich mit den Fingern das lose Haar aus dem Gesicht, strich ihr Gewand glatt und ging auf ihn zu.
    »Warum so früh?«, fragte er misstrauisch von seinem Thron aus. »In eurer gewählten Welt ist noch nicht Vollmond. Darf ich hoffen, dass du darauf brennst, mich zu sehen?« Er runzelte die Stirn. »Oder ist etwas vorgefallen?«
    »Herr Satyr hat eine der Vestalischen Statuen gefunden«, verkündete Silvia, und ihre Stimme hallte durch die große Halle.
    Erstickte Schreie von Protest und Schmerz erklangen von den Laren.
    Aber Pontifex war nicht zufrieden. »Noch immer keine Feuersteine?«
    »Bald«, versprach sie.
    »Bald? Bald? «, fauchte er wütend. Er schlug sich mit der Faust an die Brust. »Weißt du, wie sehr ich unter dem Fluch des Priapus leide? Nachts kann ich nicht

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