Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Bestrafung beizuwohnen? »Warum zeigt ihr euch nicht?«, rief sie herausfordernd und hörte das Rascheln ihrer gestärkten Roben.
Vestalis Maxima trat in die Mitte des Kreises und hielt ihr einen goldenen Kelch hin. »Trink das. Es wird den Schmerz lindern.«
Silvia schüttelte trotzig den Kopf.
Vestalis kam näher und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn du den Kelch nicht von mir annimmst, werden sie dich zwingen zu trinken. Damit du nicht schreist.«
Schreien? Aber natürlich, was hatte sie denn erwartet? Dass eine Auspeitschung schmerzlos wäre? Silvia hob den Kelch und trank ihn leer. Plötzlich wollte sie unbedingt, dass die Tortur endlich beginnen möge, denn das bedeutete auch, dass es dann schneller vorbei wäre.
»Ich werde jetzt dein Gewand entfernen«, sagte Vestalis. Ihre Stimme klang freundlich, aber gleichgültig. Silvia schlug ihre Hand weg. »Es steht in den Lehren geschrieben, dass es so geschehen muss«, beharrte Vestalis. »Wenn du dich wehrst, werden sie dich fesseln und knebeln, damit ich fortfahren kann.«
Als Vestalis erneut die Hand ausstreckte, hielt Silvia sie nicht mehr auf, und Vestalis begann damit, dass sie die infula entfernte und dann die stola abnahm. »Es werden nur leichte Peitschenhiebe sein. Und nur zwölf Schläge«, erklärte sie. Nachdem Silvia ihres Unterkleides, Gürtels und ihrer Bandagen entledigt war, erhielt sie noch einen letzten Rat. »Bleib ganz still stehen, Silvia. Reglos wie eine Statue. Sie werden keine dauerhaften Spuren hinterlassen. Nicht wenn du dich nicht rührst.« Zum Abschied drückte Vestalis ihr noch einmal beruhigend die Hand. Dann verließ sie Silvia, die nur noch ihr suffibulum, den weißen, hauchdünnen Schleier, um ihren Kopf trug, und trat rückwärts aus dem Kreis, die Augen ehrerbietig vor den Hohepriestern gesenkt. Eine Tür öffnete sich, und das scharfe Klicken, als sie wieder verschlossen wurde, klang laut im Raum. Jetzt gab es kein Entkommen, bevor ihre Bestrafung vollendet war.
Einige Augenblicke vergingen, und Silvia fühlte, wie die mächtigen Männer sie anstarrten. Sie weigerte sich, das Schweigen zu brechen. Sie weigerte sich, zu zerbrechen. Man hatte ihr ihre Kleidung genommen, um sie zu demütigen, aber sie würde ihnen nicht die Befriedigung verschaffen, vor ihnen zurückzuschrecken.
Plötzlich erklang laut und deutlich die Stimme von Pontifex. »Jungfrau Silvia, du bist schuldig eines abscheulichen Verbrechens gegen Vesta, denn du hast zugelassen, dass ihre Flamme schwindet.« Er war irgendwo hinter ihr, in schwarzes Dunkel gehüllt. Auf seine Anklage hin hörte sie das Rascheln von Roben und Gemurmel von den anderen.
»Aber es ging nicht aus«, erinnerte sie.
»Ein glücklicher Umstand, denn sonst würdest du jetzt nicht so leicht davonkommen.«
Leicht?
Dann fühlte sie seine Wärme an ihrem Rücken. Sie schauderte, blieb aber bewegungslos stehen, wie Vestalis ihr geraten hatte. Etwas – der geflochtene Ledergriff seiner Peitsche – schob ihr Haar nach vorn über ihre Schultern, so dass es ihre Brüste bedeckte und ihren Rücken für die Schläge entblößte. Die Spitze des Griffs fuhr ihren Rücken hinab und verschwand dann.
»Tut, was ihr tun wollt, und fertig«, sagte Silvia. »Ich werde nicht um Gnade winseln.«
Seine Stimme durchdrang die tintenschwarze Finsternis, leise und furchteinflößend. »Und das ist genau der Grund, warum du mir so gefällst.«
Ihm gefallen? Sie schauderte, und Abscheu überkam sie.
»Ist dir kalt?«
»Was denkst du denn?«, fragte sie zurück, aber ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren, und sie fühlte sich, als würde sie ihr nicht gehören. Sie spürte, wie ihre Augen sich langsam weiteten und ihre Wangen rot wurden. Der Trank aus dem Kelch entfaltete die beabsichtigte Wirkung auf sie.
»Ich denke, liebe Jungfrau, dass du bereit bist«, antwortete er schließlich.
Langsam ging er um sie herum. Obwohl sein Blick über jeden Zentimeter ihrer Haut glitt, vermied er es, ihr in die Augen zu sehen, so als würde direkter Blickkontakt das, was er hier tat, von einem geheiligten Ritual in einen Übergriff verwandeln.
Dann sprach er wieder, und seine Stimme erfüllte den Raum mit Autorität. »Jungfrau Silvia, für dein schwerwiegendes Vergehen gegen unsere geehrte Göttin wirst du heute Nacht zur Auspeitschung verurteilt. Ein Dutzend Schläge. Jeder Hohepriester wird vortreten und zwei davon ausführen, so dass wir alle die Bürde deiner Bestrafung teilen mögen. Lasst uns
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