Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
Vom Netzwerk:
unverletzt von dem Feuer, das sie bei ihrem überstürzten Abschied von Bastian erschaffen hatte. Sie war überaus erleichtert gewesen, festzustellen, dass Occia recht gehabt hatte: Der Besitz der Feuersteine befähigte sie, ein Feuertor zu erschaffen, um in dieser Welt zu reisen. Der Versuch war riskant gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Das Tor hatte sie in Sekundenschnelle vom Atriumhaus zu dieser Straße gebracht. Doch selbst mit Hilfe der Steine war sie nicht in der Lage gewesen, weit zu reisen, da sie sich in einem sterblichen Körper befand.
    Und nun würde sie diese Straße entlang weit weg von hier gehen. Sie wagte es nicht, Michaelas zerbrechliche Gestalt noch einer Flammenreise auszusetzen, also musste sie wie ein gewöhnlicher Mensch zu Fuß gehen. Sie überquerte die Gasse des Eros, wo einst der Schrein des Bacchus gestanden hatte, und auf dem Hügel weiter oben der Koloss des Nero. Jeder Schritt war eine Qual für sie, denn sie sehnte sich nur noch danach, sich irgendwo zusammenzurollen und zu weinen.
    Während der letzten Wochen hatte sie die volle Wirkung des Todes ihrer liebsten Freundin von sich fernhalten können, doch jetzt brach alles über sie herein und überwältigte sie in ihrem Kummer. Ihre Augen waren gerötet und wund vom Weinen. Sie würde Michaela bei sich behalten, solange sie konnte. Ihr Verstand wusste, dass sie sie nur zu bald verlieren würde, so wie sie jeden anderen Wirt ihrer Vergangenheit hatte aufgeben müssen.
    Die Zeit des Vollmonds kam eine Woche, nachdem sie Rom verlassen hatte. Silvia kehrte nicht in die Anderwelt zurück, um Erneuerung zu suchen, denn das hätte bedeutet, dass sie sich für immer von Michaelas Gestalt trennen musste. Und sie war noch nicht bereit, sich dem zu stellen. Ebenso wenig, wie sie bereit war, sich Pontifex zu stellen, bevor sie alle sechs Steine hatte. Sie entdeckte in der Vollmondnacht eine kleine Höhle in den Hügeln, abseits der Hauptstraße. Dort legte sie ihre drei Feuersteine draußen auf einen Stein. Sie huldigte Vesta und beschwor Feuer von den Steinen, und dieses Ritual diente als Ersatz für einen Besuch des Herds, denn es hatte sie sicher durch die Nacht begleitet. Aber sie gestattete sich nicht, an Bastian zu denken. Sie wollte nicht darüber nachgrübeln, wie – oder, besser, mit wem – er seine Vollmondnacht verbrachte.
    Als der nächste Morgen dämmerte, lief sie weiter. In diesen letzten Tagen ihrer Existenz wurden Wirtskörper für gewöhnlich schwach. Und nun, da Michaela nicht länger stark genug war, um ihre Geheimnisse verbergen zu können, kamen sie alle zum Vorschein. Und Silvia erfuhr Dinge, von denen sie wünschte, sie hätte sie nie erfahren, denn einige von Michaelas geflüsterten Geheimnissen waren viel zu entsetzlich: In der Nacht deiner Auspeitschung … nachdem man dich weggeschickt hatte … musste ich Pontifex zu Diensten sein … und den anderen Hohepriestern … sie drohten, sie würden dir weh tun, wenn ich etwas verriete … oder wegliefe … also blieb ich …
    Silvia schreckte vor diesen entsetzlichen Enthüllungen zurück, doch gleichzeitig hörte sie grimmig zu, als Michaela ihre Vergangenheit mit ihr teilte und ihr die schmutzigen Details jener schrecklichen Nacht offenbarte. Es waren sechs Männer gewesen. Erwachsene Männer der Religion und der Politik, die sie auf abscheuliche Weise missbraucht hatten. Keiner von ihnen war so töricht gewesen, Michaelas Jungfräulichkeit zu beflecken, denn sie alle hatten Vestas Vergeltung gefürchtet, und Michaela hatte geglaubt, dass ihr wenigstens diese Verletzung erspart bliebe.
    Doch in der nächsten Vollmondnacht war Pontifex von Lust übermannt worden; er hatte sie in sein Bett geholt und vergewaltigt. Und als er dadurch entdeckt hatte, dass sie bereits mit einem anderen Mann geschlafen hatte – dem Jungen auf dem Gewürzmarkt –, war ihr Schicksal besiegelt gewesen. Es war zu einem Handel gekommen. Er würde nicht dafür sorgen, dass sie lebendig begraben würde für ihr Verbrechen, doch sie müsste seine Konkubine werden. Von da an hatte sie heimlich mit ihm geschlafen, sobald die anderen Vestalinnen zu Vollmond ihre persönlichen Gebete vollzogen hatten. Sogar nach dem Fall des Tempels war sie zu ihm gegangen. Jahrhundertelang. Um Silvia zu schützen.
    Es war nur ein Mal im Monat , erklärte Michaela tröstend. Offenbar spürte sie, wie sehr diese Neuigkeit Silvia erschütterte. Nicht so schlimm . Aber es war schlimm gewesen, und Silvia

Weitere Kostenlose Bücher