Das Herz des Südens
Moment, genau das zu tun. Der Ebenholzstock, den er bei sich hatte, krachte ganz herrlich, wenn man ihn »versehentlich« auf den Boden fallen ließ.
Die Luft im Spielsalon des Blue Ribbon war schon rauchgeschwängert, als Bertrand eintrat. Er kannte fast alle, die an den Tischen saßen, die meisten waren Kreolen vom unteren Lauf des Mississippi oder vom Cane River weiter nördlich. In den letzten Jahren waren allerdings ein paar wohlhabende Akadier und sogar einige Américains zu den Herren an den Roulettetischen gestoßen.
Bertrand setzte sich zu seinen Freunden – zwei von ihnen Cousins – und zündete sich die erste Zigarre an. Der junge LaSalle teilte die ersten Karten aus, und alle betrachteten ihr Blatt mit einer gespielt gleichgültigen Miene.
Gegen Mitternacht legten sie eine Pause ein, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Bertrand nahm sein Whiskeyglas mit auf den Balkon, um etwas frische Luft zu schnappen. Er hatte noch nie viel auf die weibischen Sorgen über nächtlichen Dunst und schädliche Dämpfe gegeben. Gerade in den Nachtstunden hatte er Paris und alles, was es zu bieten hatte, besonders genossen; oft war er zu seinem Freund Lafrennière aufs Dach gestiegen, um durch das Teleskop die Venus zu betrachten. Die Nachtluft war nicht anders als die Luft bei Tage. Warum sollte das in New Orleans anders sein als in Paris, auch wenn eine halbe Weltreise zwischen den beiden Städten lag?
»Bist du das, Chamard?«
Bertrand schielte zur Seite, um den Schattenriss des Mannes zu erkennen, der vor dem Licht der Kronleuchter stand.
»Johnston? Komm her, mein Freund.« Albany betrat den Balkon, und die beiden begrüßten sich mit einem Händeschütteln. »Seit wann bist du in der Stadt?«, fragte Albany.
»Seit drei Tagen. Ich musste erst einmal eine Menge geschäftlicher Termine wahrnehmen, aber jetzt bin ich reif für ein bisschen Entspannung. Wie geht es deiner Mutter und deiner Schwester?«
»Gut, danke.«
Die beiden lehnten sich mit dem Rücken gegen das Geländer und bliesen in trauter Eintracht den Rauch in die Nacht.
»Und Josephine?«
Albany zog an seiner Zigarre. »Ein bisschen schwierig, würde ich sagen, wie die Frauen halt so sind.«
Bertrand blickte hinauf zu den Sternen. Was sollte er darauf erwidern? Wenn Albany weiterreden wollte, würde er es wohl tun.
»Hier finden also diese berühmten Bälle statt?«, fuhr Albany fort.
Das Blue Ribbon war ein berühmtes Etablissement, von dem jeder kreolische Junge träumte, dass er es einmal besuchen würde, wenn er erwachsen wäre. Die Bälle, die hier stattfanden, wurden von den besten Musikern der Stadt begleitet, und das Essen kam von den besten Restaurants. Aber vor allem fand man hier die schönsten Frauen von Louisiana, alles zum Vergnügen der weißen Plantagenbesitzer. Die Damen waren größtenteils sogenannte Quadroons, Mädchen und Frauen, die nur noch zu einem Viertel von schwarzer Herkunft waren. Ihre Zukunft bestand darin, die Geliebte eines kreolischen Herrn zu werden. Wenn ein Mann einmal einer dieser Schönheiten verfallen war, blieb er oft ein Leben lang ihr und den gemeinsamen Kindern treu.
»Oben«, antwortete Bertrand. »Nächste Woche findet ein solcher Ball statt, ich könnte dich als meinen Gast mitbringen.«
»Du wirst lachen, ich bin schon eingeladen. Der Freund deiner Cousine Marguerite, Achille Dumont, besteht darauf, dass ich ihn begleite. Offenbar kennt man Louisiana nicht richtig, wenn man die Damen auf diesen Bällen nicht gesehen hat.«
»Das sehe ich genauso.«
»Aber wenn ich es recht verstehe, ist das hier kein Bordell, oder?«
»Lass die Mütter dieser Damen bloß kein solches Wort hören!«, lachte Bertrand. »Nein, diese Mädchen sind die geborenen Geliebten, und ihre Tugend, jedenfalls in den von ihnen selbst gesteckten Grenzen, ist legendär.«
»Heißt das, sie sind alle noch Jungfrauen?«
»Nein, das nicht. Hier und da stirbt einer der Kavaliere, oder er verlässt sie, und dann sind sie eines Tages wieder im Ballsaal zu sehen, diesmal aber mit dem aufreizenden Flair der reifen Frau.«
Bertrand dachte an Philomene. Sie war zwanzig Jahre lang die Geliebte seines Vaters gewesen, bis dieser gestorben war, und bis heute war sie eine schöne Frau. Als Monsieur Chamard verstorben war, hatte er ihr ein großzügiges Erbe vermacht, und sie hatte sich entschlossen, das Blue Ribbon nicht wieder zu betreten.
Ein Mann trat zu ihnen auf den Balkon. »Ach, hier sind Sie, Johnston«, sagte Achille.
Weitere Kostenlose Bücher