Das Herz des Südens
Schulden und Zinsen. Wie sehr wünschte sie sich jetzt, sie hätte damals besser aufgepasst!
»Und das bringt uns zurück zu dem Thema Wirtschaftsseiten. Wird die Bank uns weiterhin Kredit geben oder nicht? Das hängt von der Wirtschaftslage ab, verstehst du jetzt, was ich meine?«
Josie hoffte, Grand-mère würde sie jetzt nicht wieder mit stählernem Blick fixieren und sie daran erinnern, wie ähnlich sie ihrem Vater war, wie unverantwortlich, wie leicht sie sich in Schwierigkeiten bringen konnte, wenn sie sich von anderen abhängig machte, es ihnen überließ, sich um ihre Interessen zu kümmern.
»Grand-mère, warum sagst du mir nicht einfach, was geschehen wird?«
»Wenn ich hellsehen könnte, hätte ich es dir sicher längst erzählt. Ich spreche nur von Möglichkeiten, weiter nichts, aber es ist schon so, dieser überhitzte Boom gefällt mir gar nicht. Es gibt einfach viel zu viele Leute, die verschuldet sind so wie wir.«
»Und was kann ich tun?«, fragte Josie so sanft sie konnte.
»Tun?«, schnaubte ihre Großmutter. »Da kann keiner von uns etwas tun, Josephine, aber du musst dir darüber im Klaren sein, was passieren kann. Benutz doch einmal den Verstand, den Gott dir gegeben hat.«
»Aber wenn ich verheiratet bin …«
»Bisher hat hier niemand um deine Hand angehalten, Josephine, jedenfalls nicht, seitdem du diesen reichen Américain abgewiesen hast. Du bist für Toulouse verantwortlich, vor allem für die vielen Menschen, die hier arbeiten. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob du verheiratet bist oder nicht.«
Josie wurde rot. Grand-mère hatte sie an einer empfindlichen Stelle getroffen: Sie war nicht verlobt. So gut wie, dachte sie, aber tatsächlich hatte Bertrand nicht von Heirat gesprochen. Noch nicht.
»Verstehst du, Josephine, dein Monsieur Chamard ist vermutlich selbst hoch verschuldet. Er hat mehr Sklaven gekauft, mehr Land urbar gemacht, alte Felder neu bepflanzt. Und eins kann ich dir sagen: Bertrand liest die Wirtschaftsseiten. So schöne Augen du ihm auch machst, er sieht sich zuerst einmal die Zahlen in seinen Rechnungsbüchern an.«
Josie setzte sich sehr aufrecht hin. Grand-mère mochte wohl glauben, dass Bertrand eine solche Krämerseele war wie sie, aber Josie wusste es besser. Josie hatte das Versprechen in seinen Küssen gespürt. Bertrand begehrte sie, mit oder ohne Schulden.
»Ist das dann alles?«, fragte sie kühl. »Ich muss mich noch umziehen, bevor Bertrand kommt.«
»Ja, du kannst jetzt gehen. Aber ich erwarte von dir, dass du die Wirtschaftsseiten gelesen hast, wenn wir uns das nächste Mal über die Plantage unterhalten, Josephine.«
Cleo strich ihr Kleid glatt, als sie Monsieur Chamards Pferd im Hof hörte. Sie hätte ihn niemals ermutigt, so kühn war sie nicht, und sie wollte Josie auch nicht verletzen. Aber die Aufmerksamkeit in seinen Blicken tat ihr gut.
Während des Mittagessens trug sie das gebackene Hähnchen, die gebratenen Okraschoten und die frischen Brötchen auf, die Louella gebacken hatte. Nun, da Josie verliebt war, dachte sie, konnte sie wohl verstehen, wie sehr Cleo unter der Trennung von Remy litt. Aber Josie schien Remy vollkommen vergessen zu haben. Sie konnte es sich erlauben, nur an sich selbst zu denken, von erfüllten Hoffnungen zu träumen, ein Luxus, den sich eine Sklavin nicht leisten konnte.
Während des Essens verteilte Monsieur seine Aufmerksamkeit gleichmäßig zwischen Madame Emmeline und Josie. Mit Josie sprach er über Pferde und Gepflogenheiten in Europa, mit Madame über die neuesten wirtschaftlichen Entwicklungen. Alle drei Frauen im Zimmer wünschten sich seine Aufmerksamkeit, bemerkte Cleo. Madame war einsam, seit Celine, Emile und Bibi gestorben waren. Nur wenige Menschen waren ihrem schnellen Verstand gewachsen, aber Monsieur konnte mit ihr Schritt halten. Und auch Cleo spürte seine Gegenwart, selbst wenn er so tat, als ignorierte er sie.
Aber Cleo hatte schon lange beschlossen, ihr Leben mit Remy zu verbringen. Ein eigenes Leben. Sie wollte nicht die Rolle übernehmen, die ihre Mutter in diesem Haus gespielt hatte, mit einer anderen Frau den Ehemann teilen, ohne ein Anrecht auf seine Liebe oder auch nur seinen Schutz. Sie war ehrlich mit sich selbst, was die Anziehungskraft anging, die sie offenbar auf Monsieur ausübte, und sie hatte längst begriffen, dass er sie heimlich begehrte, aber sie würde nichts tun, um ihn zu ermuntern, und sie würde auch nicht einwilligen, wenn es denn dazu kam.
Als die
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