Das Herz des Südens
damals, auf dem Baumstamm am Lagerfeuer! Aber jetzt begrüßte sie ihn ziemlich kühl, sogar ein wenig herablassend, und Cleo hatte gesehen, wie enttäuscht Phanor war. Seltsam, diese Reaktion. Er war enttäuscht, aber offensichtlich nicht überrascht.
Es war kein Geheimnis, wo Josie mit ihren Gedanken und ihrem Herzen war: Sie war wie verzaubert von Monsieur Chamard, dem Mann mit den verführerischen Augen. Und sie schien zu glauben, dieser Chamard sei anders als ihr geliebter Papa. Sie glaubte, er würde sie ein Leben lang lieben, nur sie allein, und sie niemals so verletzen, wie es Emile mit ihrer Maman Celine getan hatte.
Cleo wusste es besser.
28
»Mademoiselle«, sagte Laurie, »Madame hat gesagt, Sie sollen jetzt kommen. Und Sie sollen Ihre Brille nicht vergessen.«
Diese grauenhafte Brille! Josie bewahrte sie in einer Schublade auf, in ein Taschentuch gewickelt. Lieber wollte sie in ihrem ganzen Leben keine Zeile mehr lesen, als irgendwann mit dieser scheußlichen Brille auf der Nase erwischt zu werden. Bertrand hatte sie selbstverständlich noch nie damit gesehen. Aber wenn Grand-mère darauf bestand, dass sie sie mitbrachte, dann hieß das, ihr stand wieder einmal eine Sitzung über den Hauptbüchern bevor.
»Setz dich, Josephine.« Auf dem Tisch mit der grünen Decke hatte Grand-mère die Bücher ausgelegt, und dazwischen stand ein Becher mit frisch gespitzten Bleistiften bereit.
»Hast du heute Morgen die Zeitung gelesen, wie ich es dir aufgetragen habe?«
»Ja, Grand-mère«, schwindelte Josie. Ja, sie hatte ein wenig darin gelesen, aber dann hatten ihr die Augen wehgetan, und ihre Brille war im Nebenzimmer gewesen. Und es war so schrecklich langweilig gewesen, so viele Seiten über Präsident Van Buren, den Kongress und die Wirtschaft! Viel lieber saß sie versteckt auf ihrem Fensterbrett, die Brille auf der Nase, und las einen Roman von Victor Hugo.
»Dann weißt du ja, dass Monsieur Beaufort weiterhin behauptet, unserer Wirtschaft ginge es gut und alle, die etwas anderes sagen, seien dumme Weltuntergangspropheten. Wie denkst du darüber, Josephine?«
Josie schluckte. Woher sollte sie das wissen? Und warum sollte sie sich um diese Dinge kümmern? Grand-mère führte Toulouse, und Bertrand würde ihr nachfolgen, wenn er Josie heiratete. »Grand-mère, ich …«
»Du hast die Seite über die Finanzwirtschaft nicht gelesen, oder?«
»Nein, aber …«
»Laurie, wir hätten gern eine Kanne Tee«, unterbrach ihre Großmutter wieder. »In der Zwischenzeit werde ich versuchen, dir zum wiederholten Male klarzumachen, wie wichtig es ist, die Wirtschaftsseiten der Zeitung zu lesen. Wir beginnen mit den Büchern von vor drei Jahren. Such mir das Buch von 1834 heraus und sieh dir die Zahlen an, die unsere Ausgaben zusammenfassen.«
Josie rückte ihre Brille auf der Nase zurecht und las die Kosten vor: Essen und Kleider für die Sklaven, Düngemittel, eine Dachreparatur, Monsieur Gales Lohn, Wein, Vorräte. Dr. Benets Honorar, Spenden für die Kirche und so weiter.
»Und die Gesamtsumme?«, fragte Grand-mère. »Schreib sie in die richtige Spalte auf diesem Blatt hier. Wir wollen die letzten drei Jahre vergleichen.«
Widerwillig trug Josie die Einnahmen und Ausgaben für jedes Jahr ein. Natürlich hatten sie im vergangenen Jahr wegen der Überschwemmung nur wenig Einnahmen gehabt. Sie hatten den größten Teil ihrer Ernte verloren, und sie hatten erhebliche Kosten für den Wiederaufbau und die Neuanpflanzungen gehabt. Und dann waren da immer wieder Papas Spielschulden. Aber sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sie so hoch verschuldet waren.
»Nun, was schließt du daraus, Josephine?«
Josie schielte auf das Blatt. »Bis zu dem Hochwasser scheint es ganz gut gegangen zu sein«, sagte sie. Sie blickte ihre Großmutter fragend an. »Stimmt das?«
»Ja, vollkommen richtig. Und jetzt?«
»Jetzt haben wir Schulden. Aber das kann doch nur vorübergehend sein, bis wir die nächste Ernte verkauft haben, oder?«
»Hast du die Einnahmen der letzten Ernte vor dem Hochwasser mit unseren Schulden verglichen?«
Josie fuhr mit dem Finger über die Seite. Es würde vier oder fünf gute Ernten brauchen, um die Schulden wieder auszugleichen, selbst wenn die neue Raffinerie errichtet war und arbeitete.
»Aber …«
»Kein falscher Optimismus, Josephine. Schulden haben die Angewohnheit, zu wachsen. Das ist dir klar, nicht wahr?«
Josie erinnerte sich vage an einen früheren Vortrag ihrer Großmutter über
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