Das Herz des Südens
drei vom Tisch aufstanden, legte Madame eine Hand an ihren Hals. »Es ist wirklich ungewöhnlich warm heute. Ich hoffe, Sie entschuldigen mich, Bertrand, aber ich glaube, ich lege mich ein bisschen hin.«
Bertrand eilte zu ihr und stützte sie am Ellbogen. »Alles in Ordnung? Soll ich den Arzt rufen lassen?«
»Aber nein, ich bin nur ein bisschen müde und habe zu viel von Louellas wunderbarem Kuchen gegessen. Purer Leichtsinn! Im Salon geht ein frischer Wind, den solltet ihr genießen. Josephine, Louella soll euch einen Krug Limonade machen.«
Bertrand ließ Madame in der Obhut von Cleo, die sie in ihr Schlafzimmer brachte. Cleo öffnete das viel zu warme Kleid und goss Wasser in die Schüssel, um Madame das Gesicht und den Nacken abzutupfen. »Diese Hitze macht mich ganz fertig«, sagte Madame. »Dankeschön, Cleo.«
Als Cleo das Zimmer verlassen wollte, um Josie und ihren Gast zu bedienen, sagte Madame: »Vielleicht kann Laurie Josephine und Monsieur bedienen.«
Cleo wich dem strengen Blick aus, dessen Bedeutung sie wohl verstand, und senkte den Kopf. »Ja, Madame.«
Sie fand Laurie im Speisezimmer, wo sie den Tisch abwischte, und sagte ihr, sie solle die Limonade im Salon servieren und daran denken, weder zu Mademoiselle noch zu Monsieur etwas zu sagen, sondern ihnen einfach die Gläser zu reichen, ohne einen Tropfen zur verschütten.
»Hältst du mich für blöd?«, gab Laurie patzig zurück.
Madame hatte dieses Kind unerträglich verwöhnt. Cleo packte ein Stück Haut über Lauries knochigem Ellbogen und kniff sie. »Ich will keinen Ton hören, Laurie. Madame hat sich hingelegt, und jetzt geh endlich!« Laurie streckte ihr die Zunge heraus, aber sie war immerhin still und verließ das Zimmer.
Während Bertrand Josie im Salon mit Geschichten aus seiner Schulzeit in Paris unterhielt, hörten sie das Signal des Postschiffs, und Ellbogen-John eilte zum Anleger. Wenn alles lief wie geplant, würde das Schiff nur ein wenig langsamer werden, damit man die Posttasche auf den Haken hängen konnte, der auf den Fluss hinausragte. Aber wenn der Junge auf dem Schiff den Haken verfehlte, musste er versuchen, die Tasche John zuzuwerfen, der auf dem Anleger stand. Mehr als einmal hatte John in den Fluss steigen müssen, um die Tasche herauszufischen.
Diesmal jedoch hievte der Junge die Tasche mit perfektem Schwung auf den Haken und winkte John zu, während das Schiff wieder in die Strömung zurücktrieb. Madame Emmeline hatte das Signal ebenfalls gehört und stand auf, um zu sehen, wie Ellbogen-John gemütlich vom Deich zum Haus hinaufschlenderte. »Her damit, John«, rief sie ihm zu, als er nahe genug war.
Sie konnte die gedämpften Stimmen von Josie und Bertrand im Salon hören, während sie ungeduldig versuchte, den Knoten zu lösen, der die Posttasche verschloss. Einige Briefe legte sie für später beiseite, bevor sie die New Orleans Picayune aufschlug. Die Herausgeber hatten die Wirtschaftslage mit riesigen schwarzen Lettern auf der ersten Seite mehr als deutlich gemacht. ERSTE BANK IN NEW ORLEANS GESCHLOSSEN war da zu lesen. Und darunter fand sich eine weitere Überschrift: NEW YORK IN PANIK – RANDALIERENDE INVESTOREN AUF DEN STRASSEN.
Jetzt war es also so weit. Es war schneller gekommen, als sie befürchtet hatte, der Boom war zusammengebrochen. Als Mädchen hatte sie die Wirtschaftskrise von 1792 erlebt, und so wusste sie, was dem Land bevorstand. Ihr Vater hatte damals die Hälfte seines Besitzes verloren, bis die Wirtschaft sich wieder gefangen hatte. Toulouse war in schrecklicher Gefahr.
Emmeline wankte ein wenig. Mit schweren Schritten ging sie zum Salon und reichte die Zeitung ohne lange Vorrede an Bertrand weiter. Beim Anblick ihres Gesichts überließ er ihr sofort seinen Sitzplatz und warf Josie einen Blick zu, damit sie ihrer Großmutter ein Glas Limonade einschenkte.
Aber Madame Emmeline machte nur eine abwehrende Handbewegung und sagte: »Lest.«
Bertrand überflog die Schlagzeilen und ließ sich schwer auf den Stuhl neben Emmeline fallen. »Sie hatten also wieder mal vollkommen recht.«
Josie nahm ihm die Zeitung aus der Hand und las die Nachrichten. Als sie den Kopf hob, sah sie, dass Bertrand sie neugierig anblickte. »Weißt du, was eine Panik ist, Josie?«, fragte er.
»Grand-mère hat es mir erklärt. Es bedeutet, dass wir kein Geld mehr borgen können, glaube ich.«
Bertrand sah Emmeline an, die seinen Blick erwiderte und ihm stumm bestätigte, was er befürchtete: Josie hatte
Weitere Kostenlose Bücher