Das Herz des Südens
aber die ganze Zeit gegen die Mücken wehren. Als sie sich umdrehte, um die zwanzig Schritte bis zur Küche zurückzugehen, nahm sie plötzlich den kräftigen Geruch von Whiskey, Mann und Hund wahr.
»Was machst du denn hier draußen?«, fragte LeBrec.
Das Knurren des Hundes ließ Cleo stocksteif stehen bleiben. Sie tastete nach dem Klappmesser in ihrer Tasche, das sie aus Monsieur Emiles Schublade genommen hatte. Er hätte gewollt, dass sie es bekam, dachte sie, nachdem er sie nicht mehr selbst beschützen konnte.
»Vielleicht möchte ich auch was?« LeBrec und der Hund kamen näher, immer näher. »Du bist sicher genauso kühl und süß wie das Wasser, hm?«
»Keinen Schritt näher, Monsieur«, antwortete Cleo. Sie zog das Rasiermesser aus ihrer Tasche und hoffte, er hätte das Aufblitzen der Klinge gesehen.
»Du kleines Aas«, sagte LeBrec und wollte sich auf sie stürzen.
Eine Kerze, die in der Tür des Küchenhauses hochgehalten wurde, erleuchtete die Szene: Cleo, bereit zur Verteidigung, LeBrec, der betrunken schwankte, und der Hund, der den Kopf gesenkt hielt.
»Bonsoir, Monsieur«, sagte Louella. Ihr Ton war sehr ruhig, aber voll von tödlicher Entschlossenheit. »Möchten Sie vielleicht eine Tasse für das kalte Wasser?«
Im Kerzenlicht betrachtete LeBrec Louella, die ein paar Zentimeter größer und vierzig Pfund schwerer war als er. »Behalt doch dein verfluchtes Wasser«, murmelte er, und der Hund folgte seinem Herrn mit einem kurzen Knurren in die Dunkelheit.
»Komm rein«, sagte Louella zu Cleo. »Jetzt gibt es Limonade.«
Eine Stunde später eilte Cleo zurück zum Haus. Louella brachte sie den halben Weg und blieb dann stehen, bis sie sie im schwachen Mondlicht sicher die Treppe hinaufgehen sah. Im Haus war noch der Lichtschein aus dem Büro zu sehen.
Cleo klopfte an die Tür, um zu sehen, ob Madame noch etwas brauchte, aber es war kein Ton zu hören.
Sie öffnete die Tür, in der Annahme, dass Madame über ihren Büchern eingeschlafen war. Morgen früh würde sie steif und nörgelig sein, wenn Cleo sie jetzt nicht ins Bett brachte. Für einen Augenblick bewunderte sie das silbrige Haar im Lampenschein, aber dann fiel ihr die seltsame Haltung auf. Madame war ganz starr, nicht entspannt wie im Schlaf.
»Madame?«
Die Antwort war ein gequälter leiser Schrei, und Cleo eilte zum Schreibtisch. Madame saß da, die linke Gesichtshälfte hing bewegungslos herunter, und das linke Auge war fast geschlossen.
»Madame, was ist denn?«
Madame Emmeline starrte Cleo mit ihrem rechten Auge an – ein furchterregendes Flehen. Aus ihrem verzogenen Mund war ein leises Wimmern zu hören, und Cleo musste sie am Arm festhalten, damit sie nicht zur Seite kippte.
»Ich komme gleich wieder, sofort.« Cleo rannte aus dem Zimmer und rief vom oberen Ende der Treppe aus: »Louella! Louella!«
Beim dritten Rufen war Louella an der Tür, die Kerze in der Hand. Cleo rief noch einmal nach ihr, und die große Frau rannte die Treppen hinauf, donnerte den Flur entlang und stürzte in das einzige Zimmer des Hauses, das nicht dunkel war.
Cleo kniete vor Madames Stuhl.
»Sie kann nicht sprechen, Louella. Sieh dir nur das Gesicht an!«
»Du lieber Himmel! So etwas habe ich schon einmal gesehen. Hol schnell Mademoiselle, und dann legen wir Madame ins Bett.«
Cleo lief zum Schlafzimmer und zog das Moskitonetz zur Seite. »Josie«, sagte sie. Josie schlief in einem ärmellosen Nachthemd, und als Cleo sie schüttelte, konnte sie den Schweiß auf ihrer Haut fühlen. »Josie, wach auf!«
Erschrocken setzte sich Josie auf. »Was ist?«
»Grand-mère hatte einen Schlaganfall.«
Josies Zittern beunruhigte Cleo. »Kannst du die Bettdecke wegnehmen?«, fragte sie Josie in der Hoffnung, sie würde sich beruhigen, wenn sie etwas zu tun hatte.
Cleo und Louella zogen Madame das viel zu warme Kleid aus und trugen sie zum Bett. Sie wimmerte leise, als sie sie niederlegten, und hob ihre rechte Hand in Josies Richtung.
»Ich bin hier, Grand-mère«, sagte Josie.
Cleo beobachtete, wie Madame um Worte rang, aber es kam nur ein unverständliches Gurgeln heraus. Die Hand deutete vage in den hinteren Teil des Hauses, aber keine von ihnen verstand, was Madame meinte. »Möchtest du ein Glas Wasser?«, fragte Josie und eilte schon davon, um Wasser einzuschenken.
Madame wurde lauter vor Frustration, war aber immer noch nicht zu verstehen. Offenbar wollte sie kein Wasser.
»Cleo, geh und hol Ursuline«, sagte Josie. »Und weck
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