Das Herz des Südens
gerechnet, nicht wahr?«
»Nein, daran habe ich nicht gedacht, Violette, ich wusste gar nicht, dass du die Johnstons kennst.«
»Aber du hast mich doch selbst Mr Johnston vorgestellt, erinnerst du dich nicht mehr?«
»Doch, natürlich, jetzt erinnere ich mich, auf Tante Marguerites Party, nicht wahr?«
Violettes blasse Lippen verzogen sich zu einem zögernden Lächeln, und ihre Augen signalisierten eine Botschaft, die sie kaum in Worte fassen konnte. »Kannst du dir nichts denken?«
Josie brauchte einen Augenblick, ehe sie begriff. »Du und Albany Johnston?«
»Ist das nicht romantisch? Es gab natürlich noch einen anderen jungen Mann, aber du kannst dir doch sicher vorstellen, dass jedes Mädchen Albany vorziehen würde.«
»Meinen Glückwunsch, Violette! Ich hoffe, ihr werdet sehr glücklich miteinander.«
Zwei todlangweilige Menschen, die sich gefunden hatten, dachte Josie. Was für ein Glück.
Mrs Johnston kam ins Zimmer, und man tauschte Familiennachrichten aus: Abigails Hochzeitsreise mit Bertrand beherrschte das Gespräch, und Josie ertrug es mit einem eingefrorenen Lächeln, bis sie nach einer Weile sagte: »Ich hatte gehofft, Mr Johnston sprechen zu können. Es geht um eine geschäftliche Angelegenheit.«
»Ja, das hatte ich auch so verstanden«, erwiderte Mrs Johnston. »Mein Mann ist in New Orleans, aber Albany müsste jeden Moment hier sein. Er ist heute früh ausgeritten, um Rebhühner zu schießen, aber ich rechne jeden Augenblick damit, dass er mit seinen schlammigen Stiefeln hier hereinstapft. Mögen Sie so lange noch eine Tasse Kaffee?«
In der Zwischenzeit berichtete Violette von jedem einzelnen Kleid und jedem Hut, den sie für die kommende Saison in Auftrag gegeben hatte. Josie stellte pflichtschuldig ein paar Fragen nach Spitzen, Bändern, Rüschen und Volants, und der Vormittag schleppte sich dahin, während die Uhr mit ihrem fürchterlich blechernen Klang jede Viertelstunde anzeigte.
Die Türen zum Innenhof standen offen, um etwas frische Luft hereinzulassen, und so hörte Josie Albanys Ankunft, bevor sie ihn sah. Seit dem letzten Frühjahr hatten sie sich nicht mehr gesehen. Sie machte sich bereit und hatte auf diese Weise einen kleinen Vorsprung vor ihm.
»Oh, ich rieche Kaffee!«, rief Albany laut, wischte sich die Schuhe kaum an der Matte ab und stürmte förmlich in das Halbdunkel des Wohnzimmers. »Kann ich wohl bitte auch einen Becher haben? Einen großen?«
Als Josie aufstand, um ihn zu begrüßen, blieb er abrupt stehen. Sein Haar war vom Wind zerzaust, er war sonnengebräunt und viel schlanker geworden, was ihm ausgesprochen gut stand. Wirklich, er sah richtig gut aus. Trotzdem war es ein peinlicher Augenblick. Er stand mit dem Rücken zum Licht, und so konnte Josie nicht erkennen, ob er freudig blickte.
»Meine Cousine ist zu Besuch gekommen, Albany«, sagte Violette. »Ist das nicht nett?«
»Miss Tassin«, sagte Albany endlich. »Wie geht es Ihnen?«
»Diese grauenhaften Stiefel!«, ermahnte Mrs Johnston ihren Sohn. »Na, jetzt bist du ja schon drin. Setz dich doch zu uns, ich lasse noch einen Becher bringen.«
Albany legte die Hand in den Schoß, Josie nestelte an einer gestickten Blume auf ihrem Rock, und Violette blickte immer wieder von einem zum anderen.
Endlich atmete Josie tief durch. »Mr Johnston«, begann sie, »ich bin aus geschäftlichen Gründen hier, und ich hoffe, Sie schenken mir ein paar Minuten Ihrer Zeit.«
Sofort stand Albany auf. »Selbstverständlich«, sagte er. »Lass den Kaffee doch bitte in mein Arbeitszimmer bringen, Mutter. Miss Tassin …«
Josie folgte den schmutzigen Abdrücken, die seine Stiefel auf dem cremefarbenen Teppich und auf den gebohnerten Holzböden hinterließen, in den hinteren Teil des Hauses. Albanys Arbeitszimmer hatte eine schöne Aussicht auf das neue Pecanwäldchen, wo die Baumwipfel sich im Wind wiegten. In der Nähe arbeitete ein Gärtner mit der Hacke und pfiff dazu. Hier schien alles in geordneten Bahnen zu verlaufen, wuchs und gedieh, während Toulouse ums Überleben kämpfte.
Albany bot Josie seinen tiefen Ledersessel an. Er machte ein paar Schritte durchs Zimmer, dann riss er sich zusammen. »Ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen«, sagte er und blickte sie zum ersten Mal an diesem Tag direkt an.
»Hat Ihre Mutter meinen Besuch nicht angekündigt?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht sehr begeistert von Violette, fürchte ich.«
»Meinen Glückwunsch zu Ihrer Verlobung.«
»Hat
Weitere Kostenlose Bücher