Das Herz des Südens
Küchen zu rechtfertigen.
»Ich gehe zu Cleo, Louella«, sagte sie. »Phanor kann das nicht alles allein schaffen.«
»Ja, geh nur. Meine Enkel sind ja schon so groß, da kann ich gut mal wieder ein Baby im Arm gebrauchen. Wir kommen hier schon zurecht, Gabriel und ich.«
Josie trank noch zwei Tassen Wasser, bevor sie ging. Sie packte einen kleinen Korb mit Obst und einer Wasserflasche voll, befeuchtete dann den Halsausschnitt und die Ärmel ihres Kleides und machte sich auf den langen Weg zur Rue Noisette.
Als sie das Haus mit dem Aprikosenbaum fand, fühlte sie sich erschöpft und schwindlig. Sie hatte die Wasserflasche ausgetrunken, die sie vor einer halben Stunde mitgenommen hatte, aber die Sonne trocknete die Schweißtropfen ebenso schnell, wie ihr Körper sie hervorbrachte.
Phanors Pferd stand im Schatten einer Eiche und schlug mit dem Schweif nach den Fliegen. Hier musste es sein. Bevor sie eintrat, band Josie ihre Haube ab und suchte hinter dem Haus nach dem Brunnen. Sie zog einen Eimer Wasser hoch und tauchte ihr Taschentuch hinein, um sich das Gesicht und den Nacken abzuwischen. Was für eine Erleichterung! Sie öffnete ihr Mieder und hielt das Kinn hoch, um das Wasser vom Hals bis zu den Brüsten hinunterlaufen zu lassen. Als sie den Kopf wieder senkte, sah sie, dass Phanor sie von der Hintertür aus beobachtete.
Das unverhohlene Begehren in Phanors Augen setzte sie augenblicklich in Flammen. Aber er riss sich schnell wieder zusammen, und in seinem Gesicht war nur noch Traurigkeit zu sehen.
Um die Peinlichkeit des Augenblicks abzuschütteln, hob Josie ihre Haube vom Gras auf. Ihre eigene Erregung hatte sie ebenso sehr überrascht wie Phanors. Sie wandte sich ab, um ihr Mieder zuzuknöpfen und den nassen Stoff über ihren Brüsten auszuschütteln.
Dann ging sie zur Tür und sah ihn an. »Gabriel ist bei Louella«, erklärte sie.
Er nickte und trat zur Seite, um sie hereinzulassen. Die Fenster des kleinen Hauses waren auf beiden Seiten geöffnet, um einen kühlenden Luftzug hereinzulassen. Die Läden waren aber geschlossen, sodass die Sonne nicht hereinscheinen konnte, und so war es erstaunlich kühl hier drinnen. Das Wohnzimmer wurde beherrscht von einem zitronengelben Sofa und einem passenden Sessel. Davor stand ein Tisch aus Mahagoni, verschrammt und sauber geschrubbt, aber ein gutes Stück.
Josie folgte Phanor ins Kinderzimmer, das hell- und dunkelblau gestrichen war. Gabriels Bettchen, ein geschnitztes Eichenmöbel mit zarter Spitzenwäsche, stand gleich neben einem Fenster. Auf dem Fußboden lagen Spielsachen und einige Pfirsichsteine verstreut.
»Hier herein«, sagte Phanor. »Im Moment ist sie ziemlich ruhig.«
Josie betrat Cleos Schlafzimmer. Nachdem sie Molly während der letzten zwei Tage im Leben der Kranken gepflegt hatte, wusste sie, was sie zu erwarten hatte, oder jedenfalls dachte sie das. Aber hier handelte es sich nicht um Molly, hier ging es um ihre Cleo, und das düstere Gelb ihrer Haut erschreckte sie zutiefst. Sie legte Cleo eine Hand auf die Stirn. Sie war heiß, aber sie schwitzte nicht.
»Ich glaube, sie braucht Wasser«, sagte Josie.
»Ich wusste nicht, ob ich sie wecken soll.«
Josie dachte einen Augenblick nach. »Doch, ich glaube, das wäre besser.«
Phanor setzte sich aufs Bett und stützte Cleo, während Josie ihr die Tasse mit Wasser an die Lippen hielt. Sie wachte nicht richtig auf, aber sie schluckte, und Josie konnte ihr genug einflößen, dass sie wieder ein wenig zu schwitzen begann.
Cleo stöhnte, als Phanor sie nach hinten sinken ließ. Sie bohrte den Hinterkopf in das weiche Kissen und warf sich hin und her.
»Das Fieber ist zu hoch!«, murmelte Josie. Sie zog Cleos schwere schwarze Haare über ihren Kopf und entfernte das Federkissen. Dann nahm sie das Tuch, das Phanor in der Schüssel mit Essigwasser hatte liegen lassen, und begann, sie abzuwischen, um sie zu kühlen.
Phanor lehnte am Türrahmen und beobachtete, wie sie mit beiden Händen das Tuch ausdrückte. Als sie Cleos Arme abwusch, sagte er: »Ich habe nicht erwartet, dass du kommst.«
Josie blickte ihn an. »Sie ist meine Schwester.«
Nach kurzem Schweigen fragte sie ihn: »Glaubst du, sie verzeiht mir?«
»Chamard kommt regelmäßig hierher, Josie. Kannst du ihr verzeihen?«
Sie ließ die Hände sinken. »Er kommt hierher?«
»Ich vermute, er liebt sie. Und er liebt sein Kind.«
Josie wartete einen Moment, bis der Schmerz über sie hinweggeflutet war, wie es so viele Male zuvor
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