Das Herz des Südens
Mutter zurückbringen.«
»Ich dachte daran, sie für die Ballsaison nach New Orleans zu schicken«, sagte er. »Das würde sie für eine Weile aus der Stille herausreißen, die dieses Haus umgibt. Und es wird wirklich Zeit, dass sie in die Gesellschaft eingeführt wird.«
Emmeline antwortete nicht, aber davon ließ er sich nicht beirren. »Die Schwester Ihrer Schwiegertochter, Marguerite, wird den Winter in New Orleans verbringen. Ich bin sicher, sie würde das Kind unter ihre Fittiche nehmen.«
»Ja, gut«, sagte Emmeline. Ihr Blick schweifte zum Fenster, wo die Sonne heiß auf die kahlen Äste des Myrtenbaumes brannte. »Wir haben in diesem Jahr überhaupt keine Blumen im Garten, ist Ihnen das aufgefallen?«
»Machen Sie sich nichts daraus, Emmeline. Ich schicke Ihnen ein paar Kamelien, und mein Gärtner kann auch ein paar Rosen für Sie ausgraben. Nächstes Jahr um diese Zeit haben Sie wieder einen Garten.«
»Wir mögen am liebsten rote Rosen«, platzte Laurie dazwischen.
»Na, dann werde ich dafür sorgen, dass er ein paar rote Rosen ausgräbt«, sagte Dr. Benet mit einem Lächeln. Er verließ das Haus allein und ging über den provisorischen Plankenweg zum Deich, wo Ellbogen-John und drei weitere Männer schon warteten, um ihn über den Fluss zu bringen.
Beim Essen teilte Madame Josephine mit, dass sie Tante Marguerite schreiben würde, damit sie die Saison in New Orleans verbringen konnte. Aber Josie dachte überhaupt nicht an Bälle, junge Männer oder Konzerte. »Du schickst mich weg von Toulouse?«, fragte sie.
Grand-mère legte ihren Löffel nieder. »Dr. Benet hat recht, du wirst hier nur dumpf und schwermütig. Du musst dir mal ein bisschen Wind um die Nase wehen lassen. Außer, du sagst mir, dass Toulouse für dich mehr Freuden bereithält als New Orleans …«
Josie konnte nicht anders als lächeln, zum ersten Mal seit vielen Tagen. »Nein, Grand-mère, ich freue mich, nach New Orleans zu kommen.«
Eines Tages kam Phanor auf seinem alten Maultier Toine in den Hof geritten und stieg ab. Madame hatte ihn rufen lassen, also wischte er sich auf der untersten Stufe der Treppe zur Veranda die nackten Füße ab und zog die trockenen Strümpfe und Stiefel an, die er über der Schulter getragen hatte.
Cleo stand oben an der Treppe. »Ah, Phanor. Der arme Toine! Soll ich Thibault Bescheid sagen, damit er ihm etwas zu fressen gibt?«
»Hunger hat der alte Toine immer«, antwortete Phanor. Seit die Cholera vorbei war, hatte er Cleo und Remy ein paar Mal auf dem Deich getroffen. Manchmal waren auch noch ein oder zwei andere dazugekommen, hatten ihre Mundharmonikas mitgebracht, und sie hatten gespielt und getanzt. Jetzt hakte er Cleo unter, bis sie an der Tür waren. »Na, langsam nimmst du ja auch wieder ein bisschen zu. Du warst ja vor lauter Kummer ganz abgemagert.«
»Ja, so ganz allmählich essen wir alle wieder, glaube ich, sogar Josie hat wieder damit angefangen.«
Phanor hatte jedes Mal, wenn er Cleo traf, nach Josie gefragt. »Geht es ihr gut? Denkst du, ich könnte ihr guten Tag sagen?«
Cleo warf ihm einen schiefen Blick zu, und Phanor lächelte schuldbewusst. Beim Requiem für Monsieur Emile hatte ihm Josies bleiches Gesicht fast das Herz zerrissen. Er konnte sich gut vorstellen, wie sehr sie darunter leiden musste, beide Eltern verloren zu haben. Unabhängig von ihrem unterschiedlichen Stand, der ihm sehr wohl bewusst war, wollte er sie einfach nur trösten, und er konnte nicht einsehen, was daran falsch sein sollte. Allerdings musste er zugeben: Je länger der Sommer dahinging, desto weniger dachte er an ihren Kummer und desto mehr an ihre haselnussbraunen Augen und den Sonnenschein in ihren Haaren.
Cleo führte ihn in den Salon, wo Josie saß und hinaus auf den Fluss starrte. Wie üblich, lag eine Handarbeit in ihrem Schoß, aber die Nadel war irgendwo in einer Falte vergraben.
»Mademoiselle«, sprach Phanor sie an.
Josie fuhr zusammen. »Oh, ich habe Sie gar nicht hereinkommen gehört.« Sie faltete das Leinen zusammen und stand auf, um ihn zu begrüßen. Josies Sommersprossen waren verblasst, sie sah mager und unglücklich aus, und ihr schwarzes Kleid – Phanor hatte ein gutes Auge für derlei – hing lose an ihrem Körper und schien alle Farbe aus ihrem Gesicht zu verdrängen.
»Mein herzliches Beileid wegen Ihres Vaters, Josie.«
Sie neigte leicht den Kopf. »Danke, Phanor.« Die zwei Monate, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, schienen eine Ewigkeit zu sein. Sie verlor
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