Das Herz des Südens
für die schmutzigsten Arbeiten reserviert hatte.
»Trägst du das alte Ding immer noch?«, fragte Josie mit einer Stimme, flach von Gleichgültigkeit und Apathie.
»Cholerakranke zu pflegen ist eine schmutzige Angelegenheit, hat Dr. Benet gesagt.«
Alarmiert drehte sich Josie zu ihr um. »Willst du da runtergehen?«
»Es sind meine Leute, und sie brauchen mich.« Cleo knöpfte das fadenscheinige Kleid zu und suchte unter ihrem Bett nach ihren ältesten Schuhen.
Josie setzte sich auf ihr Bett. »Sie sind auch meine Leute«, sagte sie leise.
Cleo setzte sich neben sie und sah sie an. »Irgendwie schon, ja.«
»Warte auf mich, ich komme mit.«
»Josie, das musst du nicht tun. Bleib du hier bei Madame Emmeline.«
»Grand-mère hat Laurie zur Gesellschaft.« Josie zog sich ebenfalls ein altes Kleid an, und dann standen sie nebeneinander, bereit. Für einen Augenblick nahmen sie sich an den Händen, bevor sie gemeinsam in die Schlacht zogen.
In den folgenden Tagen gingen sie mit Dr. Benet in die Sklavenunterkünfte, gaben den Kranken, deren Zahl ständig stieg, Wasser zu trinken und wechselten Bettwäsche. Außerdem mischten sie literweise Melasse und Wasser, wie Dr. Benet es ihnen gezeigt hatte. »Kann sie das retten?«, fragte Josie.
»Meine Liebe, ich kenne überhaupt kein Heilmittel, ich hoffe nur, ein Mittel zu finden, das dem Körper Möglichkeiten gibt, sich selbst zu helfen.«
Während Cleo sich um die Kranken auf der Straße kümmerte, besuchte Josie die Hütte gleich neben Ursuline. Drei kleine Kinder lebten dort mit ihrem Vater Luc und ihrer Großmutter Bella: Tansy, die ständig den Daumen im Mund hatte, Val Jean mit den ewig aufgeschürften Knien und Josephine, die man nach ihr benannt hatte. Die drei waren die Lieblinge aller, denen sie begegneten, wenn sie mit ihrer Großmutter zur Molkerei und zum Küchenhaus kamen, um die Milch zu holen, die dann in den Unterkünften verteilt wurde. Josie untersuchte die drei Kinder, wie Dr. Benet es ihr gezeigt hatte. Wenn eines von ihnen starb, würde sie den Verlust nicht ertragen.
Doch trotz der Melasse-Rationen, die der Arzt ausgeben ließ, wurde die Epidemie jeden Tag schlimmer. Mit jedem Toten spürte Josie, wie die Zuversicht sie verließ, wie sie immer noch mehr verzweifelte. Sie schlief kaum noch, hielt ständig Wache an irgendeinem Krankenbett. Wenn ihr Wille allein einen Menschen hätte retten können, wären sie alle wieder gesund geworden. Cleo und Louella stellten ihr etwas zu essen hin, und sie aß, ohne es überhaupt zu merken. Sie stellten ihr Melasse mit Wasser hin, die sie selbst gemischt hatte, und sie trank, ohne darüber nachzudenken. Einmal wurde sie auf Cleos verhärmtes Gesicht aufmerksam und befahl ihr, ins Haus zurückzukehren, aber sie bemerkte kaum, dass Cleo ihre Anordnung in den Wind schlug.
Immer noch kümmerte sie sich um Grammy Bella und die drei kleinen Kinder in der Molkerei nahe beim Küchenhaus, nur um zu sehen, dass es ihnen weiterhin gut ging. Josephine, Tansy und Val Jean – es war wie ein Liedtext, der ihr nicht aus dem Kopf ging und den sie ständig vor sich hin sang. Schlaflos und überanstrengt, wie sie war, schien sie zu glauben, dass den Kindern nichts passieren würde, solange sie nur weiter ihre Namen vor sich hin murmelte.
Aber Tansy starb trotz allem. Die Cholera tobte durch ihren kleinen Körper, ohne dass ihr jemand helfen konnte. Josie arbeitete weiter wie eine Wahnsinnige; später sollte sie sich an keinen der Tage erinnern, die vergangen waren, nachdem Tansys kleiner Körper in das weiße Leichentuch eingewickelt worden war.
Ursuline, die als Erste krank geworden war, erholte sich auch als Erste. Josie, Cleo und der Doktor verabreichten weiterhin ihre Melasse-Mischung an die Kranken. Einige starben, aber manche überlebten – einen Tag lang, dann zwei, und irgendwann kam der Tag, an dem die Sonne unterging, ohne dass es einen neuen Krankheitsfall gegeben hatte und ohne dass jemand gestorben war. Von den sechsundzwanzig Kranken, alles Sklaven, waren nur sieben gestorben.
Ein zweiter Tag verging ohne neue Erkrankungen, ohne neue Tote. Josie saß auf der Veranda von Grammy Bellas Hütte, die kleine Josephine im Schoß. Val Jean saß auf dem Boden, an ihr Bein gelehnt, und sang leise ein Lied von Jesus und der Erlösung. Da konnte sie endlich schlafen. Ohne es selbst zu bemerken, glitt sie hinüber in den Schlummer.
Grammy Bella rief ihren Sohn heraus. »Luc, jetzt sieh dir das Kind an. Glaubst du,
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