Das Herz des Südens
hat.«
Josie stand vor ihr, das Kinn trotzig in die Luft gereckt. »Mr Johnston hat mir einen Heiratsantrag gemacht, und ich habe ihn abgelehnt.«
Tante Marguerite ließ ihre Nichte keinen Augenblick aus den Augen, als sie sich schwer hinsetzte. »Weshalb um Himmels willen hast du das getan?«
»Weil ich ihn nicht heiraten will.«
»Ach du liebes bisschen, Josephine, du willst mir aber jetzt nicht erzählen, dass du ihn nicht liebst, oder?« Marguerite machte eine wegwerfende Handbewegung. »Selbst du in deinem zarten Alter musst doch wissen, dass derartige romantische Anwandlungen Unsinn sind. Es geht doch beim Heiraten nicht um Liebe und Küsse und Gedichte im Mondschein!«
»Doch, darum sollte es gehen«, gab Josie zurück. Ja, eine Ehe beruhte auf einem Vertrag, aber es musste darin Platz für die Liebe geben. Sie würde einen Mann heiraten, der ihre Leidenschaft weckte, einen Mann wie – sie wagte es kaum zu denken – Bertrand Chamard.
»Jetzt hör mir mal zu«, setzte ihre Tante wieder an. »Albany Johnston sieht passabel aus. Er hat gute Manieren, eine nette Familie und ein anständiges Vermögen. Und …« Sie bestand darauf, dass Josie sie ansah. »Und, Josephine, er ist bereit, über die Verluste hinwegzusehen, die Toulouse im letzten Jahr erlitten hat. Es wird nämlich weder schnell noch einfach zu bewerkstelligen sein, dass eure Plantage wieder Gewinn abwirft, mein liebes Kind.«
O ja, das liebe Geld. Von ihrer Großmutter hätte sie solche Sätze erwartet, aber doch nicht von Tante Marguerite! Josie versuchte nicht einmal, den Ärger aus ihrer Stimme zu verbannen. »Meine Großmutter wird Toulouse wieder profitabel machen, und sie wird dafür nicht länger brauchen als irgendein Mann. Und ich bin keine Geisel für eine Plantage mit Zuckerrohr und Mais.«
Dann eilte sie aus dem Salon und die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Dort lief sie von einer Ecke in die andere, wütend vor sich hin murmelnd, dass ihre Tante und ihr Onkel und zweifellos auch ihre Großmutter von ihr erwarteten, dass sie einen Mann wegen seines Geldes heiratete. Sie waren herzlos, jawohl, das waren sie.
Spät in der Nacht schrieb sie seitenweise Argumente nieder, warum sie Albany Johnston nicht heiraten konnte. Im Schutze ihres Tagebuchs schrieb sie von seinem fetten Doppelkinn und seinem Nacken, von seinem schütteren Haar, durch das man die rosige Kopfhaut sehen konnte. Natürlich war er ein netter Mann, freundlich und anständig, keine Frage. Und natürlich würde er ihr ein Haus bauen, so großartig wie sein Elternhaus, und Josie würde für den Rest ihres Lebens so müßig und nichtsnutzig sein können, wie sie mochte. Aber sie wollte ihn nicht, ganz einfach.
Was sie wollte, war eine Liebe, die ihr den Atem raubte, war Leidenschaft und Feuer.
Zwei Männer hatten diese Leidenschaft in ihr geweckt: Phanor DeBlieux und Bertrand Chamard. Sie hatte seitenweise über die beiden geschrieben, aber als sie ihren Bericht über Phanor las, wie er für die armen Leute vor der Kathedrale auf der Geige gespielt hatte, überkam sie heiße Scham. So behütet, wie sie auf Toulouse aufgewachsen war, hatte sie nie begriffen, dass ihre Stellung eine so viel andere war als die von Phanor und seiner Familie. Erst ihr Aufenthalt in New Orleans hatte ihr begreiflich gemacht, dass es einen riesigen Unterschied gab zwischen ihrem Leben und dem eines armen Cajun.
Was hatte sie geschrieben? »Sie waren fürchterlich. Schmutzige, stinkende, ungebildete, ungewaschene, unanständige Kreaturen. Und Phanor mitten unter ihnen, scheinbar ganz in seinem Element. Wir habe ich mir nur jemals vorstellen können, mit ihm zusammen zu sein?«
Aber allmählich war der anfängliche Rausch des feinen gesellschaftlichen Lebens unter den Kreolen geschwunden, und inzwischen hatte Josie begriffen, wie starr diese Gesellschaft war und dass nicht alle ihre Beschränkungen gerecht waren. Sie schämte sich, weil sie ein solcher Snob gewesen war. Phanor war ein armer Cajun, zweifellos, aber er war auch ein Mann mit Ehrgeiz und Kraft.
Und ob es nun den Anstandsregeln entsprach oder nicht, sie fühlte sich von ihm angezogen. Wie dumm sie gewesen war, an jenem Sonntag auf dem Platz aus seiner Gesellschaft zu fliehen! Seine schwarzen Augen und sein freundliches Lächeln, die Art, wie seine Schultern sich bewegten, wenn er ging, all das kam ihr jetzt wieder ins Gedächtnis. Und natürlich sein Humor, sein Talent … sein Schwung. Es spielte keine Rolle, ob sie aus
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