Das Herz des Südens
befand, holte sie aber nicht heraus.
»Ich habe einen Brief von Josephine bekommen«, fuhr Madame Emmeline fort. »Darin schreibt sie, dass sie Mr Johnston nicht heiraten will. Ich bin geneigt, ihr zuzustimmen, zumindest im Augenblick.«
»Sie meinen, sie sollte die Plantage übernehmen, bevor sie heiratet?«
Sie blickte ihn fest an. »Nicht unbedingt.«
Bertrands Hand fuhr schon wieder zu seiner Westentasche, ohne dass er es wollte. Er tat so, als müsste er eine Fluse entfernen.
»Um Himmels willen, Bertrand, jetzt holen Sie schon die Zigarre heraus!«
Er lächelte breit und zog die Havanna aus der Tasche. »Vielen Dank, Madame Emmeline, ich stehe tief in Ihrer Schuld.«
Während er die Zigarre anschnitt und sich daranmachte, sie anzuzünden, sagte Madame Emmeline: »Seit dieser Albany Johnston hier war, denke ich über Josephine und die Plantage nach. Ich möchte schon, dass sie in der Lage ist, Toulouse weiterzuführen, wenn es nötig ist. Gott weiß, dass nicht jeder Ehemann und auch nicht jeder Sohn ein fähiger Verwalter ist.«
Bertrand zog an seiner Zigarre, sodass die Spitze rot aufglühte. Er seufzte zufrieden.
»Ich verstehe. Aber ich denke, da kann ich Sie beruhigen. Albany ist ein fähiger Geschäftsmann. Er und sein Vater suchen ohnehin nach einer Erweiterungsmöglichkeit für ihre Ländereien.«
»Ich möchte auf keinen Fall, dass er Josephine nur wegen der Plantage heiratet.«
»Nein, natürlich nicht, das habe ich auch gar nicht gemeint. Im Sommer, als Josie und ich bei den Johnstons waren, schien er mir sehr angetan von ihr.«
»Und was ist mit Ihnen? Sind Sie auch angetan von ihr?«
Bertrand sah Madame Emmeline durch den Rauch seiner Zigarre an. »Worauf wollen Sie hinaus, Emmeline?«
»Wenn Sie sich für Josephine interessieren würden, könnte ich mich für eine derartige Verbindung sehr erwärmen. Sie stammen aus einer kreolischen Familie, und ich kenne Sie gut. Ich glaube, dass ich Sie ganz gut verstehe. Und deshalb frage ich Sie ganz einfach und geradeheraus, wie ich es eben schon getan habe: Sind Sie angetan von meiner Enkelin?«
Bertrand starrte in den Kamin, in dem das Feuer jetzt heruntergebrannt war und sich gelb-orangefarbene Flämmchen zeigten. »Ich finde sie sehr anziehend. Aber ehrlich gesagt, habe ich sie immer noch eher als Kind gesehen, so reizend sie ist.«
»Josie wird im nächsten August neunzehn, sie ist zwei Monate älter als Cleo«, sagte Madame Emmeline.
Bertrand warf ihr einen Blick zu, den sie ungerührt erwiderte. Offenbar entging ihr wirklich nichts. Er sah wieder ins Feuer und zog an seiner Zigarre.
»Wir haben Zeit«, sagte Madame Emmeline. »Josephine kommt im Mai nach Hause, und dann haben wir einen Sommer mit langen Tagen vor uns, genug Zeit, um sich besser kennenzulernen.«
21
Toulouse
Vom Schlafzimmerfenster aus beobachtete Cleo, wie im Haus des Aufsehers die Lichter gelöscht wurden. Dann wartete sie. Manchmal schlüpfte LeBrec noch einmal aus dem Haus, um auf dem Gelände herumzustreifen, und sie wusste, was ihr blühte, wenn er sie allein im Dunkeln zu fassen bekam.
Während sie wartete, versuchte sie, an nichts zu denken. Der Mond war nicht zu sehen, nur ein paar vereinzelte Sterne am Himmel. Sie konzentrierte sich auf den Umriss der großen Glocke, die neben dem Haus des Aufsehers hing, sodass sie aus dem Augenwinkel die Haustür umso genauer sehen konnte. Eine halbe Stunde, dann hatte sie das Gefühl, dass sie nicht länger warten konnte.
Sie nahm ihr Bündel, schloss die Haustür leise hinter sich und schlich die Treppe hinunter. Sie fröstelte und zog ihren Schal enger um die Schultern, froh, dass sie Schuhe an den Füßen trug, als sie durch das nasse Gras ging, während der schwache Schimmer des gekiesten Pfades ihr den Weg zeigte.
Bei Remys Hütte angekommen, schob sie die unverschlossene Tür auf. Der alte Sam und zwei seiner Enkel schliefen ebenfalls hier; Cleo ertastete sich den Weg zu dem Schlafplatz gleich bei der Tür.
»Cleo?«, flüsterte Remy. Als er sich bewegte, klingelten die Glöckchen an seinem Käfig.
»Ja, ich bin’s«, antwortete sie. Er drehte sich ein wenig, und die Glöckchen begleiteten ihn. Seine Mitbewohner waren inzwischen an das Geräusch gewöhnt, und sie schliefen den abgrundtiefen Schlaf von Männern, die den ganzen Tag schwer gearbeitet hatten.
Cleo streckte die Hand aus und tastete nach Remys Fingern. Sie kniete neben seinem Schlafplatz und küsste ihm die Hand. Dann griff sie durch die
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