Das Herz des Werwolfs (German Edition)
vor Verlangen. Etwas Angst war möglicherweise auch dabei, weil er wusste, dass seine Gefühle nicht nur auf den Trank zurückzuführen waren.
Ja, Lust durchfuhr ihn, pochte unter seiner Haut, ließihn hart werden und sich danach sehnen, die Entfernung zwischen ihr und ihm zu überbrücken und ihren Mund zu nehmen, ihren Körper, ihre Lust. Aber er empfand auch Zärtlichkeit und Respekt, die während der Nacht gewachsen waren, während er ihr bei dem Versuch zugesehen hatte, die neue Situation zu begreifen.
Sie hielt sich selbst für einen Feigling, aber er sah eine Überlebenskünstlerin, die viel zu oft gezwungen gewesen war, ihr Leben alleine, ohne Hilfe, von vorn zu beginnen, und die ihren Glauben verloren hatte – an sich selbst, an das Glück, an den Glauben selbst. Und dieser Teil von ihr berührte einen ähnlichen Teil in ihm, und er fühlte sich, wenigstens für den Augenblick, weniger allein.
Sie war seine Führerin. Aber sie war auch eine Frau … und diese Frau zog ihn an, verlockte ihn, weckte Sehnsucht in ihm. Und das, zusammen mit dem Trank, bedeutete, dass sie diejenige sein musste, die sich abwandte.
Stattdessen trat sie einen Schritt auf ihn zu.
Der Atem stockte ihm in den Lungen. „Reda.“ Das war alles, was er hervorbringen konnte. Nur ihren Namen.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, ihre Augen verdunkelten sich zu dem herrlichen Blau, das er in seinen Träumen gesehen hatte. „Dayn.“
Und sie tat noch einen Schritt. Noch einen weiteren, und sie könnte ihn berühren.
Selbst sein Herzschlag schien zu zögern, und in dem Augenblick war ihm, als wäre er zurück in den Wäldern von Elden und lauerte einer wilden und gefährlichen Kreatur auf, die gleichzeitig schön und merkwürdig scheu war. Er verspürte die gleiche Vorfreude, das gleiche Staunen und ein inneres Flüstern: Ja, genau so. Noch ein oder zwei Schritte, meine Schöne, dann habe ich dich.
„Der Trank“, setzte er an, verstummte jedoch, als sie den letzten Schritt tat und ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Sie berührten sich nicht, aber sie waren einander nahe genug, um sich zu küssen oder noch mehr. Selbst durch die vielen Lagen seiner Kleidung und den Mantel hindurch spürte er ihren Körper und ihre Wärme.
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Bei mir ist es nicht nur der Trank. Und selbst wenn, ist es mir egal.“ Ihre Augen funkelten. „Ich war in einer Sackgasse, nicht nur wegen der Sache mit Benz, sondern auch, weil ich nicht gefunden habe, was ich wollte – den richtigen Mann, den richtigen Job, das richtige Leben. Es war alles nicht schlecht, aber ich hatte immer das Gefühl, dass etwas fehlt. Und jetzt …“ Sie brach ab und presste die Lippen für einen Moment zusammen. „Wichtig ist, dass ich mich jetzt, in diesem Augenblick, lebendig fühle.“
Ja, dachte er. Lebendig. Nur so konnte man das Bewusstsein bezeichnen, das durch seinen Körper raste und alles frisch und hell aussehen ließ, als die Sonne am Horizont langsam stieg und ein einziger Vogel in den Baumwipfeln vor der Hütte sang. Hatte er die letzten zwanzig Jahre wie ein Schlafwandler gelebt, nur sein halbes Leben gelebt, weil er auf sie gewartet hatte?
Er glaubte schon. Und jetzt war er wach. Bei allen Göttern und dem Abgrund, er war wach .
Jetzt konnte er sich auf einmal wieder bewegen. Er wollte vorstürmen, sie an sich pressen und zustoßen. Deswegen, und damit sein Temperament nicht mit ihm durchging, zwang er sich, langsam zu machen.
Schmerzhaft, herrlich langsam.
Er rahmte ihr Gesicht mit den Händen, beugte sich vor und presste seine Lippen auf ihre. Dort verweilte er lange, trank das Gefühl ihrer weichen Haut, und wie sie sich an ihm wärmte, hörte, wie ihr Atem stockte, kostete die Magie und roch Blumen und Gewürze.
Die aufsteigende Hitze durchströmte seinen Körper und seine Seele und brachte sein Zahnfleisch zum Kribbeln. Nein , befahl er der Magie, nicht jetzt. Nicht bei ihr. Der Gedanke versetzte ihm einen Stich, weil er nicht wusste, wo er das nächste Mal trinken würde oder ob er überhaupt noch einmal die Gelegenheit dazu bekam. Aber er wusste, dass er nicht bei ihr sein würde, denn wenn sie den Bogen von Meriden erreichten, würden ihre Wege sich trennen.
„Hör zu“, sagte er, weil er etwas sagen wollte und nicht wusste, was, „wenn wir nach Meriden kommen …“
„Darüber will ich jetzt nicht nachdenken.“ Sie strich mit den Lippen über seine und ging an ihm vorbei auf die
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