Das Herz des Werwolfs (German Edition)
an und wurde einen Augenblick lang ganz still – sie war sich nicht sicher, ob es an ihrer Berührung lag oder ob er die Rebellen gesehen hatte. Doch dann atmete er aus und ließ die Schultern sinken, und er ergriff ihre Hand und drückte fest zu.
Und auch wenn noch so viel zwischen ihnen stand: Als er das Fernglas senkte und sich zu ihr umdrehte, nahm sie ihn ohne zu zögern in die Arme. Er schloss die Arme fest um sie, hielt sie einfach fest, drückte sein Gesicht in ihre Haare und ließ das Fernglas auf den Boden fallen.
MacEvoy schnaubte und senkte den Kopf, um zu grasen. Sein Zaumzeug klirrte, und er zog den Zügel aus ihrenFingern, aber viel wichtiger als das waren die leisen Schauer, die durch Dayns Körper liefen, und seine heftige Umarmung. Zur Abwechslung fühlte sie sich, als wäre sie diesmal der Anker, diejenige, an die er sich anlehnte.
„Wir schaffen das“, sagte sie gegen seinen Hals. „Hab Vertrauen.“ Sie hatten immer noch fast einen halben Tag, um ein Boot zu mieten oder zu stehlen. Den See überqueren wollten sie nach Einbruch der Nacht.
Sein Lachen klang hohl und brüchig. „Ich kann Nicolai und die anderen nicht spüren. Ich glaube, sie sind nicht da.“ Er presste seine Wange gegen ihre Schläfe. „Ich bin vielleicht der Einzige, der noch übrig ist.“
Sie schloss die Augen. Ihr Herz schmerzte für ihn. „Das kannst du nicht wissen. Und selbst wenn, irgendwer muss den Magier aufhalten. So wie jetzt kann es nicht bleiben.“
Er löste sich von ihr und sah so zärtlich zu ihr hinab, dass sie die Augen schließen wollte, um den Moment einzufangen, ehe er vorbei war. „Hast du keine Angst mehr, meine Kriegerin?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, ich habe so viel Angst, dass ich mich in einer Ecke zusammenrollen und mein Gesicht zwischen den Knien verstecken will. Aber ich habe festgestellt, dass du recht hattest. Mutig zu sein hat nichts damit zu tun, keine Angst zu haben. Es geht darum, trotz der Angst weiterzukämpfen.“
Mit dieser Erkenntnis war sie nach einer langen unruhigen Nacht aufgewacht. Es war im Grunde ein einfaches Konzept und vollkommen logisch. Sie wusste, dass sie es schon oft gehört hatte – nicht nur von ihm, sondern auch von Freunden, ihrer Familie, Kollegen und dem Polizeipsychologen –, doch jetzt erst konnte sie es zum erstenMal selber glauben. Mehr noch, sie glaubte an sich selbst, und sie wusste, dass sie dieses Mal nicht erstarren würde. Nicht heute Nacht, wenn es umso viel ging.
Er nahm ihr Gesicht in die Hände und beugte sich vor, um gegen ihre Lippen zu flüstern: „Ah, süße Reda. Meine teure Kriegerin.“
Als seine Lippen sich auf ihre legten, wusste sie, dass er ein Wolfyn war. Als seine Zunge ihre Lippen berührte, wusste sie genau, dass er mit ihr geschlafen hatte, ohne ihr das schlimmste seiner Geheimnisse gestanden zu haben. Und als sie ihre Lippen öffnete, um ihn einzulassen, tat sie es wissend. Willig. Gierig.
Es gab keinen Bann. Es gab nur sie beide und die Verbindung, die trotz allem, was um sie herum geschah, zwischen ihnen bestand.
Sie schlang die Arme um seine Taille und hielt ihn fest. Bei diesem Kuss ging es weniger um Erregung und mehr darum, zu sagen: Ja, ich bin für dich da. Wir stehen das zusammen durch. Denn das war eine weitere Erkenntnis, mit der sie heute Morgen aufgewacht war: Sie war nicht hier, weil sie die Befehle einer Stimme aus dem Nebel befolgte. Sie war entschlossen, diesen Kampf an Dayns Seite durchzustehen. Nicht nur wegen dem, was vielleicht oder vielleicht auch nicht zwischen ihnen war, sondern weil es das Richtige war. Hier ging es um mehr als nur sie beide, mehr, als je zuvor für sie auf dem Spiel gewesen war. Aber sie konnte es schaffen. Und sie würde. Sie konnte auf ihre eigene Art helfen, die Welt zu retten. Oder zumindest ein Königreich.
Diese Überzeugung legte sie in ihren Kuss. Sie ließ die Hände seinen Rücken hinaufgleiten und spreizte ihre Fingerweit, umso viel wie möglich von ihm zu berühren. Ich passe auf dich auf, dachte sie. Schnappen wir uns diesen Bastard.
Als hätte er sie gehört, löste er sich von ihr und presste seine Lippen noch einmal lange auf ihre Wange und ihre Schläfe. Dann wandte er sich vom Blutsee ab und zeigte in die Ferne. „Siehst du die Pinie dort, deren Spitze dreimal gespalten ist?“
Sie stand eine halbe, vielleicht eine dreiviertel Meile entfernt und sah wie ein Dreizack aus. Reda nickte. „Ich sehe sie. Sollen wir uns bei dieser Pinie
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