Das Herz des Wolfes (German Edition)
eleganter Körper unter ihm wand, während er in sie hineinstieß.
Apropos helfen. Er ging in die Küche, wo ein Teekessel auf dem Gasherd stand. Er füllte Wasser in den Kessel und schaltete die Flamme auf höchste Stufe. Dann öffnete und schloss er Küchenschränke, bis er ihren Teevorrat gefunden hatte. Und das war der Punkt, an dem er nicht weiterwusste. Sie hatte so viele eigenartige Teesorten, dass er keine Ahnung hatte, was er aussuchen sollte. Sie standen in ihrem Schrank, also musste sie sie alle mögen, richtig? Er nahm aufs Geratewohl eine Schachtel heraus und bereitete eine Tasse vor, und als der Kessel einen durchdringenden Pfiff ausstieß, goss er das kochende Wasser hinein.
Er spürte es augenblicklich, als sie in den Türrahmen trat und ihn ansah, ließ sich aber bewusst etwas Zeit, ehe er sich zu ihr umdrehte. Sie trug eine weiche graue Flanellhose, darüber einen weiten blauen Zopfmusterpullover, unter dessen Ausschnitt ein altes weißes T-Shirt hervorlugte, und Hausschuhe. Er war froh zu sehen, dass sie es sich bequem gemacht hatte, und wusste, es war die richtige Entscheidung gewesen, sie nach Hause zu bringen. Sie wirkte ruhiger, aber noch immer so traurig, dass es ihm in seinem alten, kampfgestählten Herz wehtat.
Seine Stimme klang schroff, als er sagte: »Sie haben so gefroren, da habe ich den Kamin angemacht und dachte, Sie möchten vielleicht etwas Heißes trinken.«
Sie sah die Tasse an und dann den Kessel auf dem Herd, und ihre Miene wurde weicher. Der Ausdruck zarter Dankbarkeit auf ihrem Gesicht war so liebenswert, dass er an der Barriere aus Zynismus vorbeischlüpfte, die Riehl errichtet hatte, um die Welt nicht an sich heranzulassen.
»Danke«, sagte sie.
Er nickte ihr knapp zu. Dabei hatte er Mühe, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, der mit einem Mal unter ihm zu schwanken begonnen hatte.
Die Achse der Welt hatte sich verschoben.
Und sie war sein Nordpol.
3
Herd
Alice starrte den kraftvoll gebauten Mann in ihrer Küche an und kämpfte gegen den Drang, ihre Finger zu kneten. Sein Gesicht war von harten Linien gezeichnet und geprägt von einer kantigen Reife, die von einem Augenblick auf den anderen gefährlich werden konnte. In seinen Zügen gab es keine Sanftheit. Sie zeigten, dass er viel herumgekommen war und unvorstellbare Dinge gesehen hatte, dass er diesen Dingen mit kluger, souveräner Gefasstheit gegenübergetreten war und nicht wusste, was es bedeutete, aufzugeben.
Seine Gegenwart verlieh der Luft eine exotische Note und ließ Alice’ vertraute Umgebung fremd wirken. Sie hatte ihre Drei-Zimmer-Wohnung für geräumig gehalten, doch er schien mit seiner starken, männlichen Energie den gesamten Raum auszufüllen. Diese Energie umspülte ihre müden Sinne mit Vitalität und gab ihr ein Stück ihrer Zielstrebigkeit zurück.
Unter seiner Lederjacke trug er nur ein ausgewaschenes schwarzes T-Shirt. Der Baumwollstoff spannte sich straff über den Wölbungen seines Bizeps und des Deltamuskels in seinem Oberarm und dehnte sich über seinen schweren, breiten Brustmuskeln. In einem Schulterholster trug er eine Pistole, an der ihr Blick hängen blieb. Für ein paar lange Augenblicke konnte sie die Augen nicht von der Waffe lösen.
Als sie aus dem Schlafzimmer gekommen war, hatte sie mit Befremden festgestellt, dass er ganz offensichtlich wusste, wie man sich auch ohne Einladung wie zu Hause fühlte. Er hatte Feuer im Kamin gemacht und kochte Tee.
Dann hatte er den Kopf gehoben und sie angesehen, und sein eisblauer Blick war ihr durch und durch gegangen. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, aber sein beängstigend unbarmherziges Gesicht nahm tatsächlich sanftere Züge an, und sie hatte das Gefühl, dass alles in ihr zu Pudding wurde. Als er sagte, der Tee und das Feuer wären für sie, war es so ziemlich das Letzte, was sie von ihm zu hören erwartet hatte. Sie musste die Lippen zusammenpressen, damit sie nicht zitterten.
»Geht es Ihnen besser?«, fragte er. »Wenigstens etwas angenehmer?«
Der Klang seiner tiefen, rauen Stimme strich über ihre Haut. Die winzigen Haare an ihren Armen stellten sich auf. Stumm nickte sie.
»Wo möchten Sie sitzen?«, fuhr er fort. »Im Wohnzimmer am Feuer oder an Ihrem Esstisch?«
Noch immer schweigend, deutete sie auf den Esstisch. Er stellte die Tasse dort ab und bot ihr einen Stuhl an. Zögerlich setzte sie sich. »Möchten Sie keinen?«, fragte sie.
In dem Seitenblick, mit dem er sie nun ansah, lag ein umwerfender
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