Das Herz einer Frau
Haus, dachte er, als das Taxi vor dem großen, mit vergoldeten Schnecken und trompetenden Engeln verzierten Tor hielt. Dahinter führte eine lange, von Zypressen gesäumte Zufahrt zwischen makellos grünen Rasenflächen hindurch.
Wachhäuser flankierten das Tor. Wachen in blaugoldenen Uniformen mit Goldfedern an den Hüten flankierten die Wachhäuser.
Einer der Posten vollführte eine zackige Drehung und kam auf das schwarze Taxi zu.
Die Landessprache von Luzandria war Französisch. Da die einzigen Worte, die Matt kannte, mit Essen zu tun hatten, verstand er nicht, was der Fahrer zu dem Posten sagte. Gleich darauf klopfte der Uniformierte an die Scheibe der hinteren Wagentür.
Er war hoch gewachsen und gertenschlank. Sein Englisch war tadellos. „Ihr Anliegen im Palast, Sir?“
Matt starrte in sein humorloses Gesicht. Nach endlosen Stunden auf verschiedenen Flughäfen, zahlreichen Sicherheitskontrollen, dem langen Flug und einem durch eine Computerpanne verzögerten Einchecken im Hotel wurde ihm klar, dass er nun das Ende seiner Reise erreicht hatte. Ashley musste ihn nicht empfangen. „Miss Ashley Kendrick ist hier. Die Enkelin der Königin“, fügte Matt hinzu und musste daran denken, dass er sie noch nie so wahrgenommen hatte.
„Ich möchte sie sprechen.“
„Ihr Name, Sir?“
„Matt Callaway.“
„Einen Moment.“
Aus einem Moment wurden zwei. Dann drei.
Während das Taxameter vor sich hin tickte, fragte Matt sich, ob ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als ins Hotel zurückzukehren und zu versuchen, sie von dort aus anzurufen. Vorausgesetzt, er brachte eine Telefonnummer in Erfahrung, unter der er sie erreichen konnte. Wenn nicht, würde er über die Palastmauer klettern – und dabei vielleicht erschossen werden. Er runzelte gerade nervös die Stirn, als der Posten wiederkam und mit dem Fahrer sprach.
Sekunden später ging das breite Tor auf.
Nach einer halben Minute kam das gewaltige Schloss mit seinen Türmen und Zinnen, Marmorstatuen und prächtig angelegten Gärten in Sicht. Kurz darauf hielt das Taxi vor einem kleinen Säulengang neben dem, was das Hauptportal sein musste. Ein Diener in schwarzem Frack öffnete den Wagenschlag.
„Bonjour, Monsieur“, grüßte der grauhaarige Gentleman, während sein Blick über Matts sandsteinfarbene Hose und Jackett sowie das kragenlose schwarze Hemd glitt. Obwohl der klassisch italienische Stil offenbar nicht seinen Gefallen fand, nickte er. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“
Matt stieg aus. Der Mann hielt ihm eine Tür auf und führte ihn durch eine Marmorhalle, in der zahllose Blumen ihren Duft verströmten. Hätte Matt die Muße dazu gehabt, hätte er mit großem Interesse die Architektur studiert. Aber alles, was er in diesem Augenblick empfand, war Erleichterung darüber, dass Ashley ihn nicht abwies.
Seine Eskorte blieb neben einer offenen Flügeltür stehen, die in einen edel eingerichteten Salon führte.
„Ihre Majestät wird gleich bei Ihnen sein“, sagte er.
Matt ging hinein.
Der Diener schloss die Tür hinter ihm.
Ihre Majestät?
Matt sah sich um. Die großen Ölgemälde an der Wand zeigten stramme Kerle auf Pferderücken und juwelenbehängte Frauen in wallenden Gewändern. Die Kamine waren aus Marmor. An den hohen Bogenfenstern hing roter Samt. Die auf Hochglanz polierten Möbel und vergoldeten Spiegel reflektierten das Glitzern des riesigen Kronleuchters.
Matt hatte das Herrenhaus auf dem Anwesen der Kendricks immer für imposant gehalten und sich vorgenommen, eines Tages etwas Ähnliches zu bewohnen.
Obwohl er höchstens ein oder zwei Nächte im Monat in seinem Apartment mit Blick auf die Bucht von Boston verbrachte, fehlte es in seinem Leben an nichts.
Aber bisher hatte er sich nicht vorstellen können, was Ashleys Mutter aufgegeben hatte, um William Randall Kendrick zu heiraten.
Selbst das leise Geräusch^, mit dem die Tür wieder aufging, hörte sich edel an.
Matt riss den Blick von den aufwendigen Stuckverzierungen an der Decke los und drehte sich um. Der Diener, der ihn hereingelassen hatte, verbeugte sich formvollendet.
„Ihre Majestät, Königin Sophia.“
Halb rechnete Matt damit, dass die Frau, die den Salon betrat, eine Krone und ein Ballkleid trug. Und sie war kleiner, als er erwartet hatte. Die weißhaarige Lady trug ein taubenblaues Kostüm und Saphire und war um die achtzig Jahre alt, aber die hellblauen Augen hinter der silbernen Brille blickten wachsam. Sie blieb an der Tür stehen, die sich
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