Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
Stimme erstickt. »Lela lag während der Entbindung im Koma. Das Baby war ein kleines Mädchen. Es war perfekt und wunderschön. Aber die Haut war grau, und es hatte keine Kraft. Es starb kurz darauf. Auch Lela starb.«
Emma starrte ihn schweigend an. Was für ein Alptraum! »Wo ist es passiert?«
»In der Hütte meiner Mutter, in meinem Dorf. Wir sind dicht daran vorbeigekommen, als wir nach Malangu gefahren sind. Lela und ich lebten zwar in Arusha, aber wir waren ins Dorf zurückgekehrt, um eine Hochzeit zu feiern. Als die Epidemie ausbrach, wurde das ganze Gebiet abgesperrt, und wir mussten dort bleiben.«
»Haben Sie sie nicht ins Krankenhaus gebracht?«
»Dadurch wird die Seuche nur noch weiter verbreitet«, antwortete Daniel. »Und Sie wissen ja, es gibt sowieso kein Medikament dagegen. Ich konnte Lela nicht allein lassen, deshalb ging mein Onkel zum Krankenhaus und bat um die Dinge, die ich brauchte. Dort herrschte das Chaos. Die meisten Angestellten waren weggelaufen. Und als er sagte, ich sei Tierarzt, gaben sie ihm ein Mittel, um die Wehen einzuleiten, und ein paar Morphiumtabletten. Lela konnte sie nicht schlucken, deshalb zerrieb ich sie und rührte sie ins Wasser. Als sie aufgebraucht waren, machte ich ein starkes Gebräu aus Opiumsamen. Aber sie hatte ständig Schmerzen.«
»Sie haben sie selbst gepflegt?«
»Die anderen hatten zu viel Angst, um zu helfen.« Sein Blick war gequält. Seine Stimme klang brüchig und rauh. »Sie war vier Tage lang krank. Am dritten Tag kam das Baby zur Welt. Es war wie in einem Traum. Es passierte schnell, und zugleich hatte ich das Gefühl, es würde ewig dauern.«
»Daniel, es tut mir so leid.« Emma dachte daran, wie mitfühlend er auf ihre Trauer reagiert hatte – und dabei war ihre Mutter schon so lange tot. Und die ganze Zeit über hatte er an seiner eigenen Tragödie getragen. Ihr fiel ein, dass er ihr geraten hatte, weiter an Susan zu denken. »Denken Sie ständig an Lela und das Baby?«, fragte sie leise.
Daniel nickte. »Zuerst waren meine Gedanken voller Schmerz. Aber jetzt fallen mir auch glückliche Erinnerungen ein.«
»Wie war sie? War sie eine Massai?«
»Nein, wir haben uns während meines Studiums in Daressalam kennengelernt. Sie kam aus Sansibar. Ihre Familie gehörte zu den Swahili-Stämmen, die dort an der Küste leben.« Er lächelte. »Als sie einwilligte, mich zu heiraten, war ich sehr glücklich. Die Regeln unserer Familien waren uns egal. Wir gingen schon vor der Hochzeit allein aus, und wir lebten sogar zusammen und sparten für die Hochzeit. Wir konnten es nicht ertragen, getrennt voneinander zu sein. Als sie starb, hatte ich das Gefühl, meine andere Hälfte zu verlieren. Mein Herz war weg, und ich glaubte, nicht weiterleben zu können.«
Emma betrachtete sein Gesicht. Wärme und Schmerz seiner Erinnerungen spiegelten sich dort. »Und Sie haben kein Wort gesagt, während ich die ganze Zeit von Susan geredet habe.«
»Die Massai sprechen über solche Dinge nicht«, antwortete Daniel. »Wenn jemand jung stirbt oder auf tragische Weise umkommt, dann erwähnen die Alten nicht einmal mehr seinen Namen. Deshalb habe ich meine Gefühle über Lela und unser Baby immer für mich behalten.« Er blickte Emma an. »Aber Sie sind ein Außenseiter. Mit Ihnen kann ich frei reden.«
Emma sah die Erleichterung in seinem Blick, als ob es ihm ein wenig von seiner Last genommen hätte, ihr seine Geschichte zu erzählen.
»Ich bin so froh, dass Sie es mir erzählt haben«, sagte sie.
Daniel lenkte mit einer Hand und hatte sich entspannt auf dem Sitz zurückgelehnt. Emma blickte durch das Seitenfenster auf die immer gleiche Landschaft. Das stetige Dröhnen des Landrover machte sie schläfrig, daher dauerte es einen Moment, ehe sie merkte, dass Daniel langsamer wurde. Überrascht blickte sie auf, als er von der Piste abbog und unter einem Baum parkte.
Er schaltete den Motor ab. »Kommen Sie, wir essen jetzt etwas.«
Emma nickte zustimmend. Sie merkte plötzlich, dass sie Hunger hatte.
»Was haben Sie in der Küche gefunden?«, fragte Daniel.
»Es war noch etwas Fladenbrot da und auch etwas von diesen gebratenen süßen Sachen.«
»Mandazi.«
»Man-da-zi«, wiederholte Emma. »Dann habe ich noch eine Papaya eingepackt, das Glas Honig und ein paar hartgekochte Eier. Ein paar Bananen. Und Mosi hat eine Flasche Limonade dagelassen.«
Daniel grinste. »Das ist ja das reinste Festmahl!« Er sah plötzlich jünger und unbeschwerter aus, erfüllt von
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