Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
»Daniel Oldeani. Ich bin Tierarzt und arbeite in der Olambo-Fieber- Forschungsstation. Das ist Emma Lindberg, sie kommt aus Australien.«
Emma konnte die Knochen des Mannes unter der Haut spüren, aber sein Griff war fest. Er ging auf gelben Flip-Flops voraus.
Vor einer der Hütten blieb er stehen. Sie war größer als die anderen Gebäude auf dem Gelände und hatte eine strohgedeckte Veranda, deren Pfosten aus Baumstämmen bestanden. Als Emma näher kam, sah sie, dass die Vorderseite offen war, so dass der Innenraum mit dem Gelände draußen zu einer Einheit verschmolz. George trat unter das schattige Dach.
Emma folgte ihm zu einem langen Esstisch mit geschnitzten Beinen. Die Platte war voller Kerben und Flecken. Ihr Blick glitt über ein paar Campingstühle, eine Reihe Milchkannen mit Deckeln, einen bauchigen alten Kühlschrank – und blieb dann an einer antiken Anrichte hängen. Auf der polierten Mahagoniplatte standen eine geschliffene Kristallkaraffe mit Whiskey und ein verzierter Eiskübel aus Silber. Neben der Anrichte stand ein Lehnsessel aus rotem Leder, dessen Rücken voller Vogelkot war. Auf dem nackten Sandboden lag ein Perserteppich.
Emma blickte Daniel an. Er betrachtete die Wände und die hohen Decken. Überall hingen Fotos. Manche waren gerahmt, aber die meisten waren nur Abzüge, nebeneinander mit Reißzwecken an die Wand geheftet. Es waren nur Fotos von Löwen. Emma sah ausgewachsene Männchen mit dicken Mähnen, pelzige Löwenjunge mit großen Ohren und Weibchen mit breiten, glatten Stirnen. Es gab Einzelaufnahmen, aber auch Bilder von Paaren und ganzen Familien. Auf manchen waren mit der Hand Datum und Namen hinzugefügt worden – »Toto 1986«, »Simians Rudel«, »Louisa und ihr erster Wurf 2004«.
»Setzen Sie sich bitte.« George wies auf den Esstisch.
Emma zog sich einen alten Kapitänsstuhl mit Ledersitz heran und setzte sich. Vor ihr auf dem Tisch lagen Erdnussschalen. Sie wollte sie gerade wegwischen, als ihr der braune Kot dazwischen auffiel. Sie faltete die Hände im Schoß.
George setzte sich auf den Stuhl am Kopfende des Tischs. Er schob einen Soda-Siphon und ein leeres Glas beiseite und legte seine Hände auf den Tisch. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Daniel berichtete, wie Emma und er die Spuren der Kamele zu dem Grab verfolgt und dort die Spuren eines Kindes und eines Löwen gefunden hatten. Er fügte hinzu, dass im Polizeibericht auch Löwenjunge erwähnt wurden.
George hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen, den Blick fest auf Daniels Gesicht gerichtet.
»Es hat eine Suche stattgefunden, sowohl von der Luft aus als auch am Boden«, schloss Daniel. »Aber sie war erfolglos.«
»Das arme Kind. Was für eine schreckliche Tragödie.« George zupfte an seinem Bart und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Anscheinend machte ihn die Geschichte nervös. »Aber wie kommen Sie darauf, dass einer meiner Löwen etwas damit zu tun haben könnte?«, fragte er. »Es gibt mehrere wilde Rudel in diesem Gebiet.«
Seine Stimme klang defensiv, fast wütend.
»Wir sind nicht von selbst darauf gekommen«, erwiderte Emma rasch. »Aber in der Polizeistation sind wir dem Wildhüter begegnet, und er war sich ziemlich sicher, dass es einer Ihrer Löwen wäre.«
George grunzte. »Das würde Magoma gut in den Kram passen, wenn es so wäre. Er will mich von hier verjagen. Ich habe mich von Anfang an geweigert, ihm Bestechungsgeld zu bezahlen, und seitdem versucht er, mich dafür zu bestrafen.« Seine grauen Augen blickten von Emma zu Daniel. »Ich kenne das Gebiet all meiner Rudel. Können Sie mir beschreiben, wo es passiert sein soll?«
Daniel nickte. »Ja, das können wir. Aber diese Löwin, deren Spuren gefunden wurden, hat eine Besonderheit. Sie hat eine verletzte Pfote, an der ein Stück fehlt.«
»Linker Vorderfuß?«
Daniel nickte.
George stieß langsam die Luft aus. »Moyo.« Verwundert schüttelte er den Kopf. »Ich habe mir Sorgen um sie gemacht. Als ich sie das letzte Mal besuchen wollte, konnte ich sie nicht finden. Ich habe sie seit Monaten nicht gesehen. Dann hat sie also geworfen! Sie hat Junge!«
Emma beugte sich vor. »Bitte, sagen Sie uns die Wahrheit. Würde sie Angel angreifen?« Die Frage war vielleicht zu direkt, aber sie konnte nicht mehr warten. »Würde sie das Mädchen töten?«
»Nein. Nein. Nein!«, sagte George heftig. »Niemals. Sie ist nicht wie andere Löwen. Ich habe neunzehn Löwen aufgezogen und sie wieder freigelassen. Sie sind wie
Weitere Kostenlose Bücher