Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
zusammen. »Doch, das glaube ich schon.«
Laura lächelte. »Jetzt iss. Wir halten eine ganze Weile nicht mehr an.«
Sie stand auf und zeigte zum Berg. »Die manyata liegt genau am Rand der Ebene. Bis zum Einbruch der Nacht müssen wir dort sein.«
»Vielleicht haben sie eine Ziege geschlachtet«, sagte Angel, die auf einem Stück Brot kaute. Krumen fielen ihr aus dem Mund. »Und vielleicht gibt es Eintopf mit Fleisch.«
»Nein, sie erwarten uns ja nicht«, erwiderte Laura.
Angel blickte ihre Mutter beunruhigt an. »Vielleicht lassen sie uns gar nicht hinein.«
»Doch. Der Häuptling ist der Bruder von Walaita. Wenn wir ihm sagen, wer wir sind, und ihm die Geschenke zeigen, die wir auf ihren Rat hin mitgenommen haben, wird er uns willkommen heißen.«
Angel stand ebenfalls auf. Sie folgte Lauras Blick in die Ferne. »Erzähl es mir noch einmal«, sagte sie. »Erzähl mir noch einmal, was wir tun werden.«
Laura legte Angel die Hand auf den Kopf. »Wir bringen Mama Kitu und Matata sicher im boma mit den anderen Herden des Stammes unter. Dann schlagen wir unser Zelt vor dem Haus des Häuptlings auf.«
»Aber wir bleiben nicht da.«
»Nein. Morgen lassen wir unsere Kamele in der manyata – und dann gehen wir zum Wasserfall. Dort warten wir, bis uns jemand zur Hauptstraße mitnimmt.«
»Wer nimmt uns denn mit?« Angel tanzte vor Aufregung, als sie auf Lauras Antwort wartete.
» Wazungu. Safari-Leute. Frauen mit Sonnenbrillen und rosa Lippenstift. Männer mit großen Kameras.«
Angel kicherte. »Und was haben sie sonst noch?«
»Daran kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern.«
»Und was machen wir an der Hauptstraße?«
»Wir fahren mit dem Bus in die Stadt«, sagte Laura.
»Die Stadt«, hauchte Angel. »Wir fahren in die Stadt …«
»Aber wenn wir nicht endlich aufbrechen, fahren wir nirgendwohin.« Laura sammelte die Reste des Essens ein und bedeutete Angel, ihr die Milchschale zu bringen. Dann eilte sie zu den Kamelen.
Angel folgte ihr. Sie schwenkte die Schale an der Sisalschnur, die durch ein Loch im Rand gezogen war.
Sie war erst ein paar Schritte gegangen, als sie einen überraschten Aufschrei hörte. Laura war stehen geblieben und starrte auf ein paar Büsche vor sich. Ihre starre Haltung jagte Angel einen Schrecken ein. Sie drückte die Schale an die Brust und rannte auf sie zu.
»Pass auf«, rief Laura ihr zu. »Da war eine Schlange – ich bin allerdings ziemlich sicher, dass sie jetzt weg ist.« Sie war ganz blass. »Ich habe etwas gespürt. Ich glaube, ich bin gebissen worden.«
Sie zog das Hosenbein ein wenig hoch. An ihrer linken Wade waren zwei winzige rote Punkte zu erkennen. Angel starrte ihre Mutter an. Laura hatte die Augen vor Angst weit aufgerissen.
»Ich habe sie kaum gesehen«, sagte Laura. Ihre Stimme zitterte. »Sie war so schnell. Und dann war sie auch schon wieder weg …«
»Du musst dich hinlegen«, sagte Angel. »Wenn man von einer Schlange gebissen worden ist, kann man nicht herumlaufen.«
Laura holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Ja, das stimmt.« Langsam, und ohne ihr linkes Bein zu bewegen, ließ sie sich zu Boden sinken. Dann nahm sie ihren Schal ab und versuchte, den Knoten zu lösen, aber es gelang ihr nicht.
Angel nahm ihr den Schal aus den zitternden Fingern und knotete ihn auf. Dann gab sie ihn ihr zurück. Laura begann, das Stück Stoff fest um ihr Bein zu wickeln, vom Knie an abwärts zu den Bisswunden.
Danach betrachteten Laura und Angel den Biss erneut. Die Haut darum herum schwoll bereits leicht an.
»Tut es weh, Mama?«
»Nicht sehr«, antwortete Laura. »Eigentlich gar nicht.« Sie stieß erneut die Luft aus. »Vielleicht war es ja keine gefährliche Schlange. Ich weiß nicht, was es hier für Schlangen gibt.« Sie blickte auf ihr Bein. »Vielleicht war es ja auch ein trockener Biss. Manchmal hat eine Schlange ihr Gift schon verbraucht, bevor sie beißt. Manchmal haben sie auch keine Gelegenheit, es richtig zu injizieren. Es ist ja sehr schnell gegangen.« Sie lächelte Angel beruhigend zu. »Ich glaube, wir brechen am besten gleich auf. Ich kann ja mein Bein auf den Sattel legen und es still halten.«
Angel nickte. »Wir sollten zusehen, dass wir zu der manyata kommen.«
»Ja«, sagte Laura. »Wir sollten uns beeilen.«
Angel rannte den Abhang hinunter zu den Kamelen. Sie war froh, dass sie hier nur kurz Rast gemacht hatten. Wenn sie jetzt alles hätte einpacken und aufladen müssen, hätte es viel zu lange
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