Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
sie zu Hause war. Sie warf einen Blick auf Moyo – eine silberne Löwin mit einem silbernen Kind an ihrer Seite. Der Anblick erinnerte sie an das, was sie morgen früh erwartete. Jemand würde Angel erklären müssen, was als Nächstes passierte. Die Polizei würde informiert werden. Emma würde ihre Abreise planen müssen. Und sie alle mussten sich darauf vorbereiten, sich voneinander zu verabschieden.
Diese Gedanken schob sie lieber weit von sich. Sie wollte Daniels starke, stille Anwesenheit genießen, den Frieden des schlafenden Kindes, Georges sanfte Weisheit. Sie wollte sich in die Wärme und den Trost der gemeinsamen Nachtruhe einhüllen.
Sie stellte sich die Szene, von der sie umgeben war, wie ein Gemälde in sanften Pastelltönen vor, eine seltsame Art von Familie, die nahe beieinander schliefen. Löwen und Menschen, Jung und Alt, Freunde und Fremde – alle für diese eine Nacht vereint.
15
G eorge goss Whiskey in ein Glas. Die goldene, dicke Flüssigkeit bedeckte den Boden. Angel stand neben ihm und hielt einen altmodischen Soda-Siphon in der Hand. Die Vormittagssonne schien auf die gelb mattierte Oberfläche der Flasche.
»Soll ich es jetzt machen?«, fragte sie.
George nickte. »Nicht zu viel«, warnte er.
Angel runzelte konzentriert die Stirn, als sie den Hebel herunterdrückte. Überrascht zuckte sie zusammen, als Soda in das Glas spritzte.
»Gut gemacht, Angel«, sagte George. »Möchte noch jemand einen Whiskey?«
Emma schüttelte lächelnd den Kopf. »Für mich ist es noch ein bisschen zu früh. Ich bin mit meiner Tasse Tee zufrieden.«
»Ich auch«, erklärte Daniel.
»Um elf Uhr trinke ich immer einen Whiskey«, sagte George. »Ich glaube, das hat mich jung und gesund gehalten.«
»Es ist aber gar nicht elf Uhr«, sagte Angel. »Es ist saa tano – fünf Uhr.«
Emma blickte Daniel fragend an.
»Das ist tansanische Zeit«, erklärte er. »Der Tag beginnt im Morgengrauen. Das ist sechs Uhr englischer Zeit. Sieben Uhr ist also die erste Stunde – saa moja. «
»Die nächste Stunde ist zwei Uhr und so weiter, bis die Sonne untergeht«, fügte Angel hinzu. »Dann ist der Tag zu Ende, weil alle ins Bett gehen.«
Erneut bekam Emma eine Ahnung davon, wie anders die Welt war, in der Angel aufgewachsen war. Das Kind war mit einer Zeitrechnung vertraut, die die meisten nicht kannten, es sprach drei Sprachen, anscheinend fließend, und wusste, wie man Medizin aus Papaya-Samen machte.
»Haben Bill und Ben Wasser bekommen?«, fragte George Angel.
Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Das habe ich ganz vergessen.« Ohne zu zögern, rannte sie aus der Esshütte zum Tank.
Emma schenkte den Tee aus. Sie wollte gerade die Tassen herumreichen, als auf einmal eine Gestalt im Eingang zur Esshütte auftauchte – ein Afrikaner, der ein Tuchbündel in der Hand hielt.
»Samu! Karibu sana «, sagte George und winkte ihn herein. »Willkommen zurück!« Er wies auf die Leute, die am Tisch saßen. »Das sind unsere Gäste, Daniel und Emma.« Er wandte sich an die beiden. »Und das ist mein Helfer Samu.«
Samu nickte ihnen zu. Dann verzog er besorgt das Gesicht. »Diese Löwin ist zurückgekommen! Mit Jungtieren! Unsere Arbeit macht keine Fortschritte.«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte George. Er forderte Samu auf, Platz zu nehmen, und bat Emma, ihm eine Tasse Tee einzuschenken. »Bist du wieder völlig gesund?«
»Ja. Dein dawa hat sehr schnell gewirkt. Ich hätte dich schon früher darum bitten sollen, aber ich habe geglaubt, es sei nur das kampi -Fieber.«
»Nun, wenn das Chinin gewirkt hat, war es definitiv Malaria«, sagte George. »Es ist zwar ein altmodisches Mittel, aber es hilft.«
Emma, die gerade Honig in den Tee rührte, hielt inne und blickte Samu an. »Was haben Sie gesagt? Was war das für ein anderes Fieber?«
»Es gibt ein Fieber, das ab und zu in unserem Dorf ausbricht. Zuerst ist es genauso wie Malaria, aber dann geht es schnell wieder weg.«
»Wie haben Sie es genannt?« Emma beugte sich vor und blickte Samu eindringlich an. Der Mann rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. So im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, war ihm anscheinend unangenehm.
»Auf Englisch ist es das ›Camp-Fieber‹. Wir nennen es so, weil die Leute, die es bekommen, hier im Camp arbeiten. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Es ist keine schlimme Krankheit wie Olambo. Es dauert höchstens einen Tag.«
Emma wandte sich an George. »Wissen Sie darüber Bescheid?«
Er
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