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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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die wie ihre Mutter waren. Und sie versuchte selbst, wie Susan zu sein. Wenn sie sich anders entschieden hätte, hätte das bedeutet, dass Susan nicht die weise und perfekte Mutter aus Emmas Träumen gewesen wäre.
    Und jetzt war ein neues Element ins Spiel gekommen. Angel machte das Puzzle noch komplizierter. Seufzend versuchte Emma, sich zu entspannen. Hoffentlich kam dieser Prozess zu einem Ende, wenn sie wieder zu Hause war – zurück in ihrem ordentlichen Leben, bei all der Arbeit, die sich in ihrer Abwesenheit auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatte. Aus der Distanz würde sie wahrscheinlich alles besser verstehen, und vielleicht war das der Nutzen, den sie aus dieser unerwarteten Wendung ihrer Reise zog. Sie schloss die Hand fest um Angels Finger, als sie über den Hof gingen.

    Mitten auf dem Esstisch saß ein pelziges kleines Geschöpf, das aussah wie ein graues Eichhörnchen, und kratzte sich mit seinen winzigen Pfoten hinter den Ohren. Emma versuchte, den Gedanken zu ignorieren, dass es womöglich Läuse hatte. George öffnete die Dose mit den Nüssen und schüttelte ein paar Erdnüsse heraus. Das Tierchen rannte zu ihm hin und tanzte aufgeregt auf den Hinterläufen. Es nahm die Nuss zwischen die Pfoten und begann zu knabbern. Emma musste unwillkürlich lächeln, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, es würde nicht auf dem Esstisch hocken. Sie warf Angel einen Blick zu, um zu sehen, ob sie auch zuschaute, aber sie hatte den Kopf tief über ihr Malbuch gebeugt. Ihre blonden Haare verbargen die Seiten, doch man sah, dass sie eifrig malte. Ständig griff sie nach anderen Buntstiften, und die Bewegungen ihres Ellbogens deuteten lange, kühne Linien an.
    Emma wandte sich wieder zu dem Eichhörnchen, das gerade den Tisch entlanghuschte. Es sprang auf Georges Arm und benutzte ihn als Rampe, um auf die Lehne seines Stuhls zu gelangen. Im nächsten Augenblick war es aus ihrem Blickfeld verschwunden, und Emma sah, dass es kleine braune Kotkügelchen auf dem Tisch hinterlassen hatte. George schien sie nicht zu bemerken. Emma griff in ihre Tasche und zog zwei feuchte Tücher heraus. Mit einem nahm sie den Kot auf, mit dem anderen wischte sie über die Tischplatte. Zum Glück trugen diese Tiere nicht den Olambo-Virus in sich, wie Daniel herausgefunden hatte. Sie fragte sich, ob die Löwen möglicherweise als Wirtstiere fungierten – Daniel hatte die großen Säugetiere bisher noch nicht getestet –, aber dann fiel ihr ein, dass hier im Camp während der letzten Epidemie niemand erkrankt war.
    Sie blickte zu Angel, als sie hörte, wie Papier abgerissen wurde. »Das ist für dich.« Das Kind schob ihr eine Zeichnung hin.
    Stumm betrachtete Emma das Bild von sich selbst. Sie war sofort zu erkennen. Angel hatte sie mit der gleichen Kunstfertigkeit gemalt wie Laura, die Kamele und sich selbst auf dem Bild, unter das sie »Meine Familie« geschrieben hatte. Emmas Haare fielen ihr dick und dunkel über die Schultern. Ihre Augen waren groß, ihr Mund rot. Offensichtlich sollte sie besonders schön aussehen. Angel hatte sie in anderen Kleidern gemalt. Die Emma auf dem Bild trug eine Tunika und eine Hose und Armreifen am Handgelenk. Sie stand mitten auf dem Blatt Papier und füllte es in der Höhe aus. An ihrer Haltung war etwas, das sie stark und mächtig wirken ließ.
    »Danke«, hauchte Emma, »das ist aber schön. Noch nie hat jemand ein Bild von mir gemalt.«
    Ein Lächeln erhellte Angels Gesicht. Sie blickte sie neugierig an. »Noch nie? In deinem ganzen Leben?«
    »Noch nie«, bestätigte Emma.
    Angel betrachtete Emma zufrieden. Dann streckte sie die Hand aus, damit Emma ihr das Bild zurückgab. »Ich möchte noch etwas hinzufügen.« Wieder lächelte sie. »Mama Kitu.«

    Am Abend saßen sie wieder auf dem Boden und aßen, als ob das eine akzeptierte Tradition sei. Emma saß neben Moyo, und eine der großen Pranken lag direkt neben ihrem Knie. Ab und zu, wenn Emmas Blick zufällig darauf fiel, bekam sie einen kleinen Schock. Wie konnte sie nur so dicht an diesen Pranken so ruhig dasitzen? Aber dieses Gefühl verging rasch, weggefegt von der Sanftheit, die die Löwin ausstrahlte.
    An diesem Abend benutzten sie Schalen und Löffel, und die Metalllöffel kratzten auf der Emaille, als alle hungrig aßen. Das Essen war sehr einfach – Süßkartoffeln und rote Bohnen mit Tomaten und ein bisschen Salz. Aber Emma stellte fest, dass gerade die Einfachheit die verschiedenen Aromen am besten zur Geltung brachte. Sie aß

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