Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
lang stellte sie sich ein Szenario vor, in dem sie Daniel bei den neuen Forschungen half. Ein Schauer der Erregung überlief sie. Sie könnten Seite an Seite arbeiten, das zu Ende bringen, was Susan vor so vielen Jahren begonnen hatte. Sie dachte daran, wie es sein würde, wenn sie nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren müsste: keine einsamen Abende mehr, die sie allein in ihrer kleinen Wohnung verbrachte. Sie brauchte nie mehr darauf zu warten, dass Simon nach Hause käme. Und sie würde der Konkurrenz im Institut entgehen, wo es schon lange nicht mehr um die Forschung ging, sondern nur noch darum, wann der nächste Artikel in der Fachpresse veröffentlicht werden und wie man sich eine Einladung zur nächsten elitären Konferenz verschaffen konnte.
Der Gedanke, hier in Afrika zu bleiben, beschwor Visionen von Weite, dem Luxus, Zeit zu haben, und immer in Gesellschaft von Menschen und Tieren zu sein, herauf.
Und mit Daniel zusammen zu sein.
Aber so schnell, wie das verlockende Bild vor ihrem geistigen Auge aufstieg, so schnell löste es sich auch wieder auf. Wenn sie sich nun geirrt hatte und es keine Verbindung zwischen den beiden Fiebererregern gäbe? Sie hatte Daniel angesehen, dass er hoffte, dem Alptraum einer Olambo-Fieber-Epidemie ein Ende setzen zu können. George träumte von einer sicheren Zukunft für seine Löwenfamilie, und seine Hoffnungen spiegelten sich in den Gesichtern von Ndisi und Samu. Emma wollte nicht diejenige sein, die all diese Hoffnungen zerstörte. Und sie konnte auch nicht ihre Karriere – ihr ganzes Leben – auf den Kopf stellen, nur weil sie eine Idee gehabt hatte. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie ihr Projekt, ihre Stelle im Institut aufgab, ihren sicheren und komfortablen Lebensstil verlor. Ihre Beziehung mit Simon beendete …
Langsam hob sie den Kopf. Die Verbindung zwischen ihr und dem Bedarf an einem qualifizierten Forscher war so offensichtlich, dass Daniel und George sicher dasselbe dachten. Daniel mied ihren Blick. Vermutlich wollte er sie nicht anschauen, damit sie nicht dachte, er wolle sie unter Druck setzen. Bittersüßer Schmerz stieg in ihr auf, als ihr klarwurde, dass er wollte, dass sie die Entscheidung völlig frei und unabhängig traf.
Sie schluckte. Ihre Kehle war trocken, aber ihre Nervosität ließ nach, als sie eine Entscheidung traf. Sie wandte sich an Daniel und George. »Wenn ich nach Hause komme, kümmere ich mich darum. Ich kann einen Forschungsantrag stellen und sehen, was die Leute davon halten.« Sie hörte ihre eigene Stimme wie aus weiter Ferne. Sie klang barsch und schwach zugleich. »Es gibt zahlreiche Dinge, die bedacht werden müssen – finanzielle Unterstützung, Strategien. Auch an das Patentamt müssen wir denken. Alles muss von vornherein richtig organisiert werden. Ich kann Ihnen von Melbourne aus sicher assistieren. Ideal wäre es, wenn es hier in dieser Region bereits ein Institut mit einer kompletten Mannschaft gäbe. Wir sollten uns auf jeden Fall auch in Südafrika umschauen.« Sie redete und redete. Ihr war klar, dass sie viel zu viele Worte machte – es war, als wolle sie eine verbale Barriere errichten, hinter der sie Schutz finden konnte.
Schließlich sagte auch Daniel etwas. Seine Stimme klang fest. »Ich verstehe, dass Sie zu Ihrer Arbeit und zu Ihrem Leben zurückkehren müssen. Sie sind hier nicht zu Hause.« Er lächelte. »Aber jetzt, am Anfang, sind Sie hier. Die Idee kam von Ihnen. Diese Arbeit wird immer mit Ihnen verbunden sein. Und wir werden Ihnen immer dankbar sein.«
Emma erwiderte sein Lächeln, aber hinter ihren Augen brannten Tränen. Sie empfand ein tiefes Gefühl des Verlusts, als ob sie gerade etwas Wertvolles weggegeben hätte.
Daniel erhob sich und rückte ein wenig von ihr ab. Nachdenklich betrachtete er die Löwenfotos, als ob er sich fragte, welches der Tiere wohl als Erstes den Virus, der George und seine Mitarbeiter vor der Bedrohung durch Olambo geschützt hatte, ins Camp gebracht hatte. Emma überließ ihn seinen Gedanken; sie brauchte jetzt erst einmal ein wenig Zeit, bevor sie wieder von der Forschungsarbeit reden konnte. Sie saß am Tisch und starrte blicklos auf eine Pfütze Ananassaft, die vom Frühstück übrig geblieben war. George räumte das Geschirr ab, und das Klirren der Emaillebecher durchbrach die Stille. Dann begannen Ndisi und Samu, sich in schnellem Swahili zu unterhalten. Der Überraschung in Samus Stimme nach zu urteilen, berichtete Ndisi ihm wahrscheinlich,
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