Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
ihre Schüssel ganz leer. Dann wischte sie sich die Hände an ihren Jeans ab und presste die Handflächen an die Wangen. Sie hatte heute vergessen, Sonnenschutzcreme aufzutragen. Als sie merkte, dass Daniel sie anschaute, lächelte sie verlegen.
»Ich hoffe, ich häute mich nicht wie dieser Holländer, von dem Sie mir erzählt haben.«
Daniel lächelte. Emma fragte sich, ob er sich wohl auch wie sie an ihr erstes Gespräch erinnerte. Es war unglaublich, wie viel seitdem passiert war.
»Vielleicht wirst du ja braun«, meinte Angel. »Dann siehst du aus wie ich.«
»Nicht ganz«, erwiderte Emma. »Meine Haare haben die falsche Farbe.«
»Meine Haare waren früher einmal auch so dunkel wie Ihre«, warf George ein und zeigte mit der Pfeife auf Emma.
Emma betrachtete seine langen, weißen Locken, die er aus seinem feingeschnittenen Gesicht zurückgekämmt hatte. Er sah aus wie ein alter Prophet auf einer Illustration in einer Kinderbibel. Die Frisur passte so gut zu ihm, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie er als junger Mann ausgesehen haben mochte. »Wo sind Sie geboren?«, fragte sie ihn.
»Hier in Tansania. Damals hieß es natürlich noch Tanganyika.« Er lächelte Angel an. »Ich bin ein weißer Afrikaner wie du.«
Er begann, von seiner Kindheit zu erzählen, die er in einer Kaffeeplantage auf den Hügeln am Fuß des Kilimandscharo verbracht hatte. Er war ein eifriger Trophäenjäger gewesen, bis zu dem Tag, an dem er beschloss, nie wieder ein Tier zu töten, wenn er nicht sich oder seine Löwen damit ernähren musste. Er erzählte ihnen sogar, wie verliebt er einmal in eine Frau gewesen war, die er in Nairobi kennengelernt hatte, aber am Ende hatte er sie doch nicht geheiratet, weil ihm klarwurde, dass sie nicht wirklich für immer in Afrika bleiben wollte. Ndisi lauschte gespannt. Man merkte ihm an, dass er seinen Boss noch nie so viel hatte erzählen hören. Vermutlich weckte die Anwesenheit des Kindes auch bei George Erinnerungen, dachte Emma – genau wie bei ihr.
Als sie gegessen hatten, tranken sie in dieser friedlichen Stimmung Tee mit Honig. Bald schon war es Zeit, zu Bett zu gehen.
»Willst du heute Nacht nicht auch mit uns draußen schlafen?«, sagte Angel zu Emma. »Dann bist du nicht allein.«
Sie redete so, als ob Gesellschaft immer der Einsamkeit vorzuziehen sei. Emma überlegte, wie sie antworten sollte. Ihr gefiel die Vorstellung, ein Dach über dem Kopf zu haben, aber angesichts der Intimität, die während des Abends entstanden war, wollte sie sich auch noch nicht von den anderen trennen. Sie warf Daniel einen Blick zu. Sie stellte sich vor, wie ihr Bett neben seinem stand und wie sie beide dort liegen würden. Sie würden sich zwar nicht berühren, aber sie wären die ganze Nacht lang einander nahe.
»Okay.« Emma lächelte. »Ich mache es.«
Emma blieb auf der Schwelle zur Gästehütte stehen. Sie trug zwar schon ihren Pyjama, hatte aber noch die Stiefel an. Sie blickte zu ihrem Bett, das zwischen den Liegen der beiden Männer stand. Ndisi hatte darauf bestanden, in seiner Hütte zu schlafen. Über Emmas Entscheidung hatte er bloß die Augen verdreht. Offensichtlich war er nicht an Gäste gewöhnt, die George in seinem exzentrischen Verhalten auch noch unterstützten.
George schlief bereits auf seinem Feldbett. Angel lag bei Moyo und den Jungen, und Daniel war noch nicht vom Duschen zurückgekommen.
Emma ging zu den Betten. Als sie in den Lichtschein der Laterne trat, schimmerte die Seide ihres Pyjamas hell rosafarben.
Angel betrachtete Emma mit großen, neugierigen Augen. »Du siehst wunderschön aus«, sagte sie. »Wie eine Prinzessin.« Dann verzog sie nachdenklich das Gesicht. »Diese Kleider haben genau die gleiche Farbe wie die Zunge eines Krokodils. Du weißt schon, wenn sie mit aufgesperrtem Maul am Ufer liegen.« Sie schauderte. »Fliegen sitzen auf ihren Zungen, und sie müssen sie hinunterschlucken.«
»Du sagst manchmal komische Sachen.« Emma lächelte Angel an. Ohne nachzudenken, beugte sie sich über das Mädchen und strich ihm über die Haare. Angel zuckte nicht vor ihrer Berührung zurück, im Gegenteil, sie protestierte murmelnd, als Emma ihre Hand wegzog.
»Schlaf jetzt«, sagte Emma liebevoll. »Bis morgen früh.«
»Lala salama«, sagte Angel mit schläfriger Stimme.
»Lala salama«, erwiderte Emma den Abendsegen. Die Worte kamen ihr mittlerweile ganz geläufig über die Lippen.
Emma legte sich auf den Schlafsack auf ihrem Bett. Sie zog Ärmel und
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