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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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abzuluchsen.
    »Okay«, sagte Shay. »Springer auf g6.«
    Ich setzte mich in meinem Bett auf.
»Okay? Shay, der macht dich nach Strich und Faden fertig.«
    »DuFresne, wie kommt es, dass du zu krank
zum Spielen bist, aber meinst, zu allem deinen Senf dazugeben zu müssen?«,
sagte Calloway. »Das geht nur mich und Bourne was an.«
    »Und wenn ich gewinne?«, fragte Shay.
»Was bekomm ich dann?«
    Calloway lachte. »Das wird nicht
passieren.“
    »Den Vogel.«
    »Batman kriegst du auf keinen Fall.«
    »Dann kriegst du den Brownie nicht.«
Kurze Stille trat ein.
    »Meinetwegen«, sagte Calloway. »Wenn du
gewinnst, geb ich dir den Vogel. Aber du gewinnst nicht, weil mein Springer nämlich
jetzt d3 schlägt. Du bist offiziell im Eimer.«
    »Dame auf h7«, erwiderte Shay.
»Schachmatt.«
    »Was?«, rief Calloway. Ich konzentrierte
mich auf mein geistiges Schachbrett, denn ich hatte im Kopf die Spielzüge
mitverfolgt- Shays Dame war aus dem Nichts aufgetaucht, abgeschirmt durch
seinen König. Calloway konnte nirgendwo mehr hin.
    In diesem Moment öffnete sich die Tür zu
unserem Block, und zwei Aufseher mit Schutzwesten und Helmen kamen herein. Sie
marschierten zu Calloways Zelle, holten ihn auf den Laufgang und befestigten
seine Handschellen an dem Metallgeländer an der Wand.
    Es gab für uns nichts Schlimmeres als
eine Zellendurchsuchung. Hier im Knast hatten wir nur noch unsere
Habseligkeiten, und wenn in denen herumgestöbert wurde, empfanden wir das als
eine gravierende Verletzung unserer Privatsphäre. Außerdem liefen wir bei
jeder Durchsuchung Gefahr, irgend etwas einzubüßen, das wir heimlich gehortet
hatten, ob Drogen oder Selbstgebrannten oder Schokolade oder Zubehör zum
Malen.
    Sie gingen immer mit Taschenlampen und
Spiegeln mit langen Griffen in die Zellen und arbeiteten sehr systematisch. Sie
überprüften die Wandfugen, die Lüftung, die Rohrleitungen. Sie drehten
Deostifte heraus, um nachzusehen, ob darunter irgendwas versteckt war. Sie
schüttelten Puderdosen, um zu hören, ob noch irgendwas anderes darin sein
könnte. Sie schnupperten an Shampooflaschen, öffneten Umschläge und nahmen
Briefe heraus. Sie rissen Bettwäsche herunter und tasteten Matratzen ab, auf
der Suche nach Rissen oder offenen Nähten.
    Und die ganze Zeit mussten wir hilflos
zuschauen.
    Ich konnte nicht sehen, was genau in
Calloways Zelle los war, aber seine Reaktionen vermittelten mir ein
einigermaßen gutes Bild. Er verdrehte die Augen, als seine Bettdecke nach losen
Fäden untersucht wurde; seine Kinnpartie spannte sich an, als von einem Kuvert
eine Briefmarke gelöst wurde und eine Schicht Black-Tar-Heroin zum Vorschein
kam. Doch als sein Bücherregal inspiziert wurde, zuckte Calloway zusammen. Ich
sah, dass seine Brusttasche nicht ausgebeult war, Batman musste also irgendwo
in der Zelle sein.
    Einer der Aufseher hielt die Ausgabe vom Letzten Gefecht hoch.
Er fächerte die Seiten auf und warf das Buch dann gegen die Wand. »Was soll
denn das da drin?«, fragte ein anderer Aufseher, doch er meinte nicht den
Vogel, der quer durch die Zelle geschleudert worden war, sondern die babyblauen
Papiertaschentücher, die ihm auf die Schuhe flatterten.
    »Nichts«, sagte Calloway, doch der
Aufseher war misstrauisch. Er untersuchte die Taschentücher, und als er nichts
fand, konfiszierte er das ausgehöhlte Buch.
    Whitaker riss noch einen Witz über einen
Roman, in dem buchstäblich nicht viel drinstand, aber Calloway hörte gar nicht
hin. Ich hatte ihn noch nie so aufgelöst gesehen. Sobald er wieder in seine
Zelle durfte, stürzte er in die hintere Ecke, wo der Vogel gelandet war.
    Der Laut, der Calloway Reece entfuhr,
hatte etwas Animalisches, aber vielleicht war das ja immer der Fall, wenn ein
Mann ohne Herz losweinte.
    Dann war ein Krachen zu hören und ein
widerliches Knirschen. Ein Wirbelwind der Zerstörung, als Calloway gegen etwas
Endgültiges und Unwiderrufliches ankämpfte. Schließlich sank er erschöpft auf
den Boden seiner Zelle und wiegte den toten Vogel in Händen. »Verdammte
Scheiße. Verdammte Scheiße.«
    »Reece«, unterbrach Shay ihn, »ich will
meinen Gewinn.«
    Mein Kopf fuhr herum. Shay würde doch
wohl nicht so blöd sein, sich Calloway zum Feind zu machen.
    »Was?«, hauchte
Calloway. »Was hast du gesagt?“
    »Mein Gewinn. Ich hab
die Schachpartie gewonnen.“
    »Nicht jetzt«, zischte
er.
    »Doch, jetzt«, sagte Shay. »Das war so
abgemacht.«
    Im Knast zähltest du nur so viel wie dein
Wort, und das wusste

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