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Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Titel: Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carson McCullers
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hau dir den Buckel vom Rücken runter!«
    »Halt die Schnauze, du schwarzes Niggerweib!«
    »Dreckige Fabrikschlampe! Ich hab mein Geld bezahlt, und ich werd auch fahren. He, du, weißer Mann, sie muss mir meine Karte wiedergeben.«
    »Schwarze Niggerschlampe!«
    Jake blickte von einer zur anderen. Die Menge rückte näher. Jeder gab seine Meinung zum Besten.
    »Ich hab gesehn, wie Lucie ihre Karte fallen lässt und die weiße Dame da sie aufhebt. Das ist die Wahrheit«, sagte ein junger Farbiger.
    »Wehe, wenn das Niggerweib sich an dem weißen Mädchen vergreift…«
    »Hör bloß auf zu schubsen! Sonst hau ich zurück, mir doch egal, ob du weiß bist.«
    Jake wühlte sich grob durch die Menge. »Schon gut«, rief er. »Weitergehen – verkrümelt euch! Alle weitergehen, habt ihr gehört?« Vor seinen Riesenfäusten wichen die Leute grollend zurück. Jake wandte sich wieder den beiden Mädchen zu.
    »Das ist nämlich so«, sagte das farbige Mädchen. »Ich bin eine von den Leuten, die bis Freitag Abend fünfzig Cent gespart haben. Ich hab diese Woche für zwei gebügelt. Ich hab für die Karte bezahlt. Jetzt will ich auch fahren.«
    Jake gelang es, den Streit schnell zu schlichten. Er ließ der Buckligen die umkämpfte Karte und gab der Farbigen eine andere. Der Abend verlief ohne weitere Streitigkeiten. Aber Jake blieb wachsam. Er war unruhig und besorgt.
    Außer ihm waren noch fünf Leute auf dem Rummelplatz beschäftigt: zwei Männer, die die Luftschaukel bedienten und die Karten kontrollierten, und drei Mädchen, die in den Buden arbeiteten. Nicht gerechnet der Unternehmer Patterson, der meist allein in seinem Wohnwagen saß und Patiencen legte. Seine Augen mit den verkleinerten Pupillen blickten matt, und sein gelblicher Hals hing in schlaffen Falten. Während der vergangenen Monate war Jakes Gehalt zweimal erhöht worden. Um Mitternacht musste er Bericht erstatten und die Tageseinnahmen abliefern. Manchmal bemerkte Patterson ihn erst, wenn er schon mehrere Minuten lang neben ihm stand. Stumpfsinnig saß er da und starrte auf seine Karten. Die Luft im Wohnwagen war schwer von Speisendunst und Marihuanarauch. Er überprüfte die Abrechnung immer sehr gründlich.
    Mit den Männern an der Luftschaukel war Jake zerstritten. Die beiden hatten früher in einer Spinnerei gearbeitet. Anfangs wollte er mit ihnen ins Gespräch kommen, um ihnen die Augen für die Wahrheit zu öffnen. Er hatte sie in eine Billardhalle zu einem Gläschen eingeladen. Aber ihnen war nicht zu helfen – sie waren einfach zu dämlich. Bald darauf belauschte er zufällig ein Gespräch zwischen den beiden, aus dem dann der Streit entstand. Es war ein Sonntag gewesen, gegen zwei Uhr morgens. Er hatte gerade mit Patterson abgerechnet, und als er den Wohnwagen verließ, schien der Rummelplatz leer und verlassen zu sein. Der Mond schien hell. Er dachte an Singer und an den vor ihm liegenden freien Tag. Als er an der Luftschaukel vorbeikam, hörte er seinen Namen. Die beiden waren mit der Arbeit fertig und rauchten eine Zigarette. Jake lauschte.
    »Also, so ’n Roter – der ist mir noch widerwärtiger wie’n Nigger.«
    »Ich find den bloß ulkig. Lohnt sich gar nicht, drüber nachzudenken. Wie der immer rumstolziert. So was von ’nem vermurksten Zwerg. Wie groß ist der eigentlich, was meinst du?«
    »Na, vielleicht einsfünfzig. Bildet sich aber ein, er könnt hier großspurig tun. In den Knast gehört der. Jawohl, in den Knast. So ’n roter Bolschewist.«
    »Ich find den bloß ulkig. Wenn ich den nur anseh, muss ich schon lachen.«
    »Soll bloß nicht so angeben.«
    Jake sah ihnen nach, wie sie zur Weavers Lane hinübergingen. Sein erster Gedanke war, ihnen nachzustürzen und sie zu stellen, aber eine Art Scheu hielt ihn zurück. Mehrere Tage lang kochte es in ihm, ohne dass er ein Wort darüber verlor. Bis er eines Abends nach der Arbeit den beiden Männern mehrere Straßen weit folgte und ihnen an einer Ecke den Weg abschnitt.
    »Ich hab alles gehört«, sagte er atemlos. »Zufällig hab ich jedes Wort gehört, das ihr vorigen Samstagabend geredet habt. Klar bin ich ’n Roter. Zumindest glaub ich, dass ich einer bin. Aber was seid ihr?« Sie standen unter einer Straßenlaterne. Die beiden Männer wichen vor ihm zurück. Kein Mensch weit und breit. »Ihr Pfannkuchengesichter, ihr Hosenscheißer, ihr krüppligen mickrigen Ratten! Ich brauch ja bloß hinlangen und euch eure spindeldürren Hälse abdrücken – mit jeder Hand einen. Zwerg hin

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