Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
dass ein Zwerg auch ’ne Frau sein kann.«
Sie stand in der Tür und betrachtete die anderen. Eingefasst vom Türrahmen wirkte die Küche wie ein Bild. Behaglich und sauber war es da drin. Nur die Lampe am Spülbecken brannte, der übrige Raum lag im Schatten. Bill und Hazel spielten am Tisch Blackjack, wobei sie Streichhölzer als Spielmarken benutzten. Hazel zupfte mit ihren dicklichen rosa Fingern an den Zöpfen herum, während Bill todernst, mit eingezogenen Wangen, die Karten austeilte. Portia stand am Spülbecken und trocknete das Geschirr mit einem karierten Tuch ab. Sie war dünn geworden; ihre Haut leuchtete goldgelb, und ihr geöltes schwarzes Haar war glatt und ordentlich. Ralph saß still am Boden, während George ihm eine aus Christbaumketten gefertigte Leine umband.
»Noch ein Rätsel, Portia: Wenn der Uhrzeiger auf halb drei steht…«
Sie ging hinein. Eigentlich hatte sie erwartet, dass die anderen bei ihrem Anblick zurückweichen, einen weiten Kreis um sie bilden und sie anstarren würden. Aber sie schauten nur kurz zu ihr hin. Sie setzte sich an den Tisch und wartete.
»Da kommst du also angetrottet, wenn alle fertig sind mit Essen. Ich werd’ wohl nie mit meiner Arbeit fertig.«
Niemand beachtete sie. Sie aß eine große Portion Kohl und Lachs und hinterher Quarkspeise. Sie musste an ihre Mama denken. Die Tür ging auf, ihre Mama kam herein und sagte zu Portia, Miss Brown behaupte, in ihrem Zimmer eine Wanze gefunden zu haben. Portia solle das Zimmer ausräuchern.
»Nicht so die Stirn runzeln, Mick! In deinem Alter muss man ein bisschen auf sich achten und versuchen, möglichst nett auszusehn. Halt – renn doch nicht weg, wenn ich mit dir rede. Wasch bitte Ralph noch gründlich mit dem Schwamm, bevor du ihn zu Bett bringst. Und putz ihm auch die Nase und die Ohren gründlich.«
Ralphs weiches Haar war mit Hafergrütze verklebt. Sie fuhr mit einem Tuch darüber und wusch ihm über dem Waschbecken Gesicht und Hände ab. Bill und Hazel hörten auf zu spielen. Bills lange Fingernägel machten ein kratzendes Geräusch auf dem Tisch, als er die Streichhölzer einsammelte. George trug Ralph ins Bett. Sie war mit Portia allein in der Küche.
»Du, hör mal! Sieh mich an. Seh ich irgendwie anders aus?«
»Klar, hab ich schon gemerkt, Herzchen.«
Portia setzte ihren roten Hut auf und zog andere Schuhe an.
»Na und…?«
»Nimm einfach ’n bisschen Fett und schmier dir das Gesicht ein. Deine Nase schält sich schon ganz böse. Fett soll das Beste bei schlimmem Sonnenbrand sein.«
Sie stand allein im dunklen Hinterhof und brach mit den Fingernägeln kleine Stücke aus der Rinde der Eiche. So war es fast noch schlimmer. Vielleicht wäre ihr jetzt wohler, wenn sie’s ihr angesehen und etwas gesagt hätten. Wenn sie es wüssten.
Von der Hintertreppe rief ihr Papa: »Mick! Hallo, Mick!«
»Ja, was denn?«
»Telefon für dich!«
George drängelte sich heran und wollte mithören; sie stieß ihn fort.
Mrs. Minowitz war sehr laut und aufgeregt. »Mein Harry müsste längst zu Hause sein. Weißt du, wo er steckt?«
»Nein, Ma’am.«
»Er hat gesagt, ihr wollt zusammen eine Radtour machen. Wo kann er denn jetzt stecken? Du weißt nicht, wo er ist?«
»Nein, Ma’am«, sagte Mick noch einmal.
12
Seit es wieder sommerlich warm war, kamen die Leute in Scharen zur Sunny Dixie Show. Der Märzwind ließ nach. Die Bäume prangten in gelbgrünem Laub. Der Himmel war blau und wolkenlos, die Sonne begann heftiger zu brennen. Es war drückend schwül. Jake Blount hasste dieses Wetter. Ihm schwindelte bei dem Gedanken an die langen, glühendheißen Sommermonate, die jetzt kamen. Es ging ihm nicht gut: Neuerdings quälte ihn ein hartnäckiger Kopfschmerz. Er hatte erheblich zugenommen und einen kleinen Bauch bekommen, so dass er den obersten Hosenknopf nicht mehr zumachen konnte. Er wusste, der Alkohol war schuld daran, aber er trank trotzdem weiter. Der Schnaps half gegen die Kopfschmerzen. Schon nach einem Gläschen wurden sie besser. Ein Glas hatte jetzt die gleiche Wirkung wie früher eine ganze Flasche. Nicht dieses eine Gläschen putschte ihn auf – vielmehr aktivierte der erste Schluck den vielen Alkohol, den er im Laufe der letzten Monate in sein Blut gepumpt hatte. Schon ein Löffel Bier half gegen das Hämmern im Kopf, aber betrunken wurde er nicht einmal mehr von einer ganzen Flasche Whisky.
Er strich den Schnaps und trank mehrere Tage lang nur Wasser und Orangensaft. Der Schmerz wand
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