Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
der anderen Zimmerecke spielte Willie Mundharmonika, während Buddy und Highboy ihm zuhörten. Es klang düster und traurig.
Als das Lied zu Ende war, putzte Willie das Instrument an seinem Hemd ab. »Ich bin so hungrig und durstig, dass die Töne in meiner Spucke ersaufen. Möcht gern mal von der Medizin da kosten. Was Gutes zu trinken ist das Einzige, wobei ich diese Schmerzen vergessen kann. Wenn ich bloß wüsste, wo meine F-F-Füße jetzt sind, und wenn ich jeden Abend ein Glas Gin hätte, würd es mir nicht so viel ausmachen.«
»Nicht quengeln, Herzchen. Kriegst gleich was«, sagte Portia. »Mr. Blount, darf ich Ihnen ein Stück Pfirsichkuchen und ein Glas Wein anbieten?«
»Vielen Dank«, sagte Jake. »Das wäre fein.«
Rasch legte Portia ein Tischtuch auf und stellte einen Teller hin. Sie goss ein großes Glas Wein ein. »Langen Sie nur zu, bitte. Und wenn Sie erlauben, bediene ich die andern.«
Die Krüge gingen von Mund zu Mund. Highboy ließ sich, bevor er seinen an Willie weiterreichte, Portias Lippenstift geben und zeichnete damit an, wie weit Willie trinken dürfe. Beim Lachen und Glucksen der Trinkenden vertilgte Jake seinen Kuchen, um sich dann, das Glas in seiner Hand, wieder zwischen die beiden alten Männer zu setzen. Der selbstgekelterte Wein war würzig und stark wie Branntwein. Willie stimmte leise eine melancholische Melodie an. Portia schnippte mit den Fingern und probierte ein paar Tanzschritte.
Jake wandte sich an Marshall Nicolls. »Portias Vater ist Arzt, sagen Sie?«
»Ja, Sir. Jawohl, das ist er. Ein sehr tüchtiger Arzt.«
»Was fehlt ihm denn?«
Die beiden Neger warfen sich einen wachsamen Blick zu.
»Er hatte einen Unfall«, sagte John Roberts.
»Was für einen Unfall?«
»Einen schweren, einen sehr bedauerlichen Unfall.«
Marshall Nicolls legte sein seidenes Taschentuch zusammen und entfaltete es wieder. »Wie wir vorhin schon angemerkt haben: Es ist wichtig, diese freundschaftlichen Beziehungen nicht zu schädigen, sondern sie, so irgend möglich, auf jedwede Weise zu fördern. Wir Angehörigen der farbigen Rasse müssen auf jede Weise bemüht sein, die Lage unserer Mitbürger zu verbessern. Der Doktor hat sich auf jedwede Weise bemüht. Aber manchmal schien es mir, als ob er gewisse wesentliche Faktoren der Rassenfrage und der Situation nicht vollends erkannt habe.«
Ungeduldig spülte Jake den Rest seines Weins herunter. »Herrgott noch mal, Mann, drücken Sie sich doch verständlich aus. Ich versteh ja kein Wort von dem, was Sie da sagen.«
Marshall Nicolls und John Roberts wechselten einen gekränkten Blick. Willie spielte immer noch Mundharmonika. Seine Lippen krochen wie dicke, schrumplige Raupen über die viereckigen Löcher des Instruments. Er hatte breite, kräftige Schultern. Seine Beinstümpfe zuckten im Takt der Musik. Highboy tanzte, während Buddy und Portia rhythmisch in die Hände klatschten.
Jake erhob sich. Erst als er auf den Beinen stand, merkte er, wie betrunken er war. Er taumelte und sah sich schuldbewusst um, aber niemand schien es zu bemerken. »Wo ist Singer?«, fragte er Portia mit schwerer Zunge.
Die Musik brach ab. »Aber Mr. Blount, ich dachte, Sie wissen, dass er fort ist. Als Sie am Tisch saßen mit Ihrem Pfirsichkuchen, kam er zur Tür und hielt seine Uhr hoch, um zu zeigen, dass er gehen muss. Sie haben ihn direkt angesehen und den Kopf geschüttelt. Ich dachte, Sie haben das mitbekommen.«
»Vielleicht war ich mit meinen Gedanken woanders.« Er wandte sich zu Willie und sagte gereizt: »Ich bin noch nicht mal dazu gekommen, Ihnen zu sagen, weswegen ich hier bin. Ich bin nicht gekommen, damit Sie was unternehmen. Ich will weiter nichts… also, Folgendes: Sie und die anderen Jungens sollen bezeugen, was passiert ist, und ich gebe dann die Erklärung dazu. Das Warum – das ist das einzig Wichtige – nicht das Was. Ich würde Sie im Wagen rumfahren und Sie würden Ihre Geschichte erzählen, und ich würde dann erklären, warum. Wer weiß – vielleicht wär das ’ne große Sache. Vielleicht…«
Plötzlich glaubte er, sie lachten über ihn. In seiner Verwirrung vergaß er, was er sagen wollte. Das Zimmer war voll von dunklen, fremden Gesichtern, und die dicke Luft nahm ihm den Atem. Er sah eine Tür, torkelte darauf zu und befand sich in einer dunklen Kammer, in der es nach Medikamenten roch. Dann drückte seine Hand eine andere Türklinke nieder.
Er stand auf der Schwelle zu einem kleinen weißen Zimmer. Die Einrichtung
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