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Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Titel: Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carson McCullers
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es ihm weh. Als er um Bowle bat, stieß er mit dem Pappbecher direkt gegen Paps’ Gesicht. Es war bestimmt ganz scheußlich für ihn, so ohne Brille. Er war nervös und stieß dauernd mit Leuten zusammen. Er forderte kein anderes Mädchen außer Mick auf – und das auch nur, weil es ihre Party war.
    Die Bowle war ausgetrunken. Ihr Papa fürchtete, ihr könnte das peinlich sein. Er war mit ihrer Mama nach hinten in die Küche gegangen, um Limonade zu machen. Einige Gäste waren jetzt auf der Veranda vor dem Haus oder auf der Straße. Sie war froh, in die kühle Nachtluft hinauszukommen. Nach der Hitze und Helligkeit drinnen schnupperte sie im Dunkeln den ersten Duft des Herbstes.
    Dann sah sie etwas Verblüffendes: Am Rand des Gehsteigs und auf der dunklen Straße standen ein paar Kinder aus der Nachbarschaft. Pete und Sucker Wells und Baby und Spareribs – die ganze Bande, von der die Kleinsten jünger als Bubber und die Ältesten über zwölf waren. Einige Kinder kannte sie gar nicht. Die hatten irgendwie das Fest gewittert und lungerten nun hier herum. Auch Kinder ihres Alters waren dabei und ältere, die sie nicht eingeladen hatte, weil sie entweder gemein zu ihr gewesen waren oder sie zu ihnen. Sie waren alle schmutzig und hatten einfache Shorts, schlabbrige Kniehosen oder abgetragene Alltagskleider an. Sie standen einfach im Dunkeln und wollten etwas von dem Fest mitbekommen.
    Als Mick die Kinder sah, wurde sie traurig; gleichzeitig aber spürte sie etwas wie eine Warnung.
    »Die nächste Promenade habe ich mit dir«, sagte Harry Minowitz und tat so, als läse er es von seiner Karte ab. Aber sie konnte sehen, dass nichts darauf stand. Ihr Papa war auf die Veranda herausgekommen und pfiff zum Zeichen, dass es jetzt losging.
    »Ja-a«, sagte sie. »Dann wollen wir mal.«
    Sie machten sich auf den Weg, um den Block herum. Sie kam sich immer noch todschick vor in dem langen Kleid. »Guck mal da, Mick Kelly!«, schrie eines der Kinder aus dem Dunkel. »Guck mal bloß!« Sie ging einfach weiter, als hätte sie nichts gehört. Das war dieser Spareribs gewesen. Das würde sie ihm noch heimzahlen. Sie ging schnell mit Harry den dunklen Gehsteig hinunter. Am Ende der Straße bogen sie zu einem anderen Block ein.
    »Wie alt bist du jetzt, Mick – dreizehn?«
    »Ich werd vierzehn.«
    Sie wusste genau, was er dachte. Und sie machte sich solche Sorgen deswegen. Ein Meter siebenundsechzig groß, dreiundneunzig Pfund schwer und erst dreizehn Jahre alt. Alle anderen Kinder auf der Party waren Zwerge gegen sie, bis auf Harry, der nur ein paar Zentimeter kleiner war als sie. Kein Junge ging gern mit einem so viel größeren Mädchen. Vielleicht halfen die Zigaretten ja dabei, dass sie nicht weiter wuchs.
    »Ich bin im letzten Jahr fast zehn Zentimeter gewachsen«, sagte sie.
    »Ich hab mal auf dem Jahrmarkt eine Dame gesehn, die war zwei Meter sechzig. Aber wahrscheinlich wirst du nicht so groß.« Harry blieb an einem dunklen Myrtenstrauch stehen. Niemand war in der Nähe. Er nahm etwas aus der Tasche und machte sich damit zu schaffen. Sie beugte sich vor und sah seine Brille, die er mit einem Taschentuch abputzte.
    »Entschuldige bitte«, sagte er. Dann setzte er die Brille auf, und sie hörte, wie er erleichtert aufatmete.
    »Du solltest deine Brille immer tragen.«
    »Ja-a.«
    »Wieso gehst du denn so oft ohne?«
    »Ach, ich weiß nicht…«
    Die Nacht war sehr still und dunkel. Als sie über die Straße gingen, führte Harry sie höflich am Ellenbogen.
    »Da ist eine gewisse junge Dame auf dem Fest, die findet Jungs mit Brille peinlich. Diese Dame – na ja, vielleicht bin ich ein…«
    Er sprach nicht zu Ende. Plötzlich straffte er sich, rannte ein paar Schritte und sprang nach einem Blatt, das einen Meter hoch über seinem Kopf hing. Er hatte einen guten Anlauf genommen und erwischte das Blatt gleich beim ersten Mal. Dann nahm er das Blatt in den Mund und boxte im Dunkeln gegen einen unsichtbaren Gegner. Sie holte ihn ein.
    Wie meistens ging ihr ein Lied durch den Kopf. Sie summte vor sich hin.
    »Was singst du da?«
    »Ein Stück von einem, der Mozart heißt.«
    Harry war bester Laune. Er tänzelte hin und her, flink wie ein Boxer. »Klingt wie ’n deutscher Name.«
    »Wird wohl auch einer sein.«
    »Faschist?«
    »Was?«
    »Ich meine, ist dieser Mozart ein Faschist oder Nazi?«
    Mick überlegte ein Weilchen. »Nein. Die sind was Neues, und der Mozart ist schon eine ganze Weile tot.«
    »Dann is’ ja gut.« Er

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