Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
rieb sich die Stirn und kniff die Augen zusammen. Bubber stand neben ihr und machte ihr jede Bewegung nach. »Ich wünsch mir wirklich, dass das eine gute Party wird, wirklich so sehr!«
Das war die erste Party, die sie selber gab. Sie war erst vier- oder fünfmal zu solchen Festen eingeladen gewesen. Letzten Sommer war sie auf einem Promenadenfest gewesen. Aber kein Junge hatte sie aufgefordert. Sie hatte die ganze Zeit bei der Bowle herumgestanden, bis alles aufgegessen und ausgetrunken war. Dann war sie nach Hause gegangen. Die Party heute würde ganz anders sein. Nur noch ein paar Stunden – dann kamen die Gäste, und der Betrieb ging los.
Sie wusste kaum noch, wie sie auf die Idee mit der Party gekommen war. Bald nach ihrem Eintritt in die höhere Schule war es gewesen. Auf der Highschool war es klasse, ganz anders als in der Grundschule. Hätte sie wie Hazel und Etta Stenographie lernen müssen, wäre es nicht so toll gewesen; aber sie bekam die besondere Erlaubnis, am Werkunterricht teilzunehmen wie ein Junge. Werkunterricht, Algebra und Spanisch waren ganz groß. Englisch war mächtig schwer. Ihre Englischlehrerin war Miss Minner, von der es hieß, sie hätte ihr Gehirn für zehntausend Dollar an einen berühmten Arzt verkauft; der würde es dann, wenn sie tot war, aufschneiden und nachsehen, warum sie so gescheit gewesen war. Bei Klassenarbeiten knallte sie einem Aufgaben hin wie: »Nenne acht berühmte Zeitgenossen von Doktor Johnson« oder »Zitiere zehn Zeilen aus dem Vikar von Wakefield «. Sie rief die Schüler alphabetisch auf und hatte die ganze Stunde über das Zensurenbuch offen vor sich liegen. Mochte sie noch so gescheit sein – eine alte Schreckschraube war sie doch. Die Spanischlehrerin war mal in Europa gewesen. Sie sagte, in Frankreich trügen die Leute das Brot ohne Verpackung nach Hause. Sie stünden auf der Straße und unterhielten sich und trommelten mit dem Brot gegen einen Laternenpfahl. Außerdem gab es in Frankreich gar kein Wasser – bloß Wein.
Fast alles dort war wunderbar. Zwischen den Stunden ging man auf dem Korridor auf und ab, und während der großen Mittagspause lungerten die Schüler in der Turnhalle herum. Aber gerade die Pausen waren schwierig für sie. Die anderen waren immer in Gruppen zusammen, jeder schien zu einer Clique zu gehören. Nach ein bis zwei Wochen hatte sie im Unterricht und in den Pausen alle Kinder kennengelernt und mit ihnen gesprochen – aber das war auch alles. Sie gehörte zu keiner Clique. In der Grundschule wäre sie einfach zu den Leuten gegangen, mit denen sie zusammen sein wollte, und damit basta. Hier war das anders.
Während der ersten Woche ging sie allein auf dem Korridor auf und ab und dachte darüber nach. Sie beschäftigte sich fast genauso viel damit, wie sie in eine Clique hineinkommen könnte, wie mit der Musik. Diese beiden Dinge gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Und schließlich kam sie auf die Idee mit der Party.
Sie nahm es mit den Einladungen sehr genau. Keine Kinder aus der Grundschule und niemand unter zwölf. Nur Kinder zwischen dreizehn und fünfzehn wurden gefragt. Sie kannte alle, die sie einladen wollte, gut genug, um sie in der Pause ansprechen zu können – und wenn sie einen Namen nicht wusste, erkundigte sie sich danach. Wer ein Telefon hatte, den rief sie an; die anderen lud sie in der Schule ein.
Am Telefon sagte sie immer dasselbe. Bubber durfte mithören. »Hier ist Mick Kelly«, sagte sie. Wenn der andere ihren Namen nicht verstand, wiederholte sie ihn so lange, bis er ihn begriffen hatte. »Ich gebe Samstagabend um acht Uhr eine Party mit Promenade und lade dich dazu ein. Ich wohne Fourth Street, Nummer 103, Wohnung A.« »Wohnung A« klang schick am Telefon. Fast alle sagten, sie freuten sich sehr und würden gerne kommen. Ein paar dämliche Jungs wollten sie ärgern und fragten immer wieder nach dem Namen. Einer tat neunmalklug und sagte: »Ich kenn dich ja gar nicht.« Sie gab ihm eins drauf: »Und du kannst mir gestohlen bleiben.« Außer diesem Schlaumeier waren zehn Jungen und zehn Mädchen eingeladen, und alle würden kommen, das wusste sie. Eine richtige Party sollte es werden, ganz anders und viel besser als alle Partys, auf denen sie je gewesen war oder von denen sie gehört hatte.
Mick warf einen letzten Blick in die Diele und das Esszimmer. An der Garderobe blieb sie vor dem Bild des alten Dreckskerls stehen. Es war eine Fotografie von Mamas Großvater. Der hatte vor langer Zeit als Major
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