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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Aber der Glanz des Verbotenen, das Charisma des Outlaws und der umwerfende Preisvorteil überwogen den Rest an Sinn für Gerechtigkeit, der sich regen wollte. Er nahm an und ließ sich erklären, wie man ein Wildrad zureitet, zähmt und mit dem eigenen Brandzeichen versieht. Er schloß Ilse in sein Herz. Ilse hatte was zu bieten.
    Nicht wie Bo natürlich, das war klar, aber der brauchte in seinen selbst herbeigeschauspielerten Stress-Situationen keinen Partner, ihm genügte Publikum. Das Ausbaden gefiel ihm sowieso meist besser als der Spontansketch selbst.
    Sobald er sich zum Beispiel auf ein Brückengeländer schwang und den zaudernden Selbstmörder gab, zog sich Giovanni so weit zurück, daß niemand auf die Idee kommen konnte, er gehöre dazu. Hatte dann endlich eine gütige Hausfrau oder einer dieser mitfühlenden Studenten den vermeintlich Verzweifelten ins Leben zurück überredet, hatte sich die Menge der Schaulustigen zerstreut oder blinkte irgendwo ein Blaulicht, dann konnte sich Giovanni zu Bo gesellen oder mit ihm fliehen.
    »Was ist denn das für ein Spinner, dein Freund?« fragte Laura am nächsten Tag. Daß sie diesmal nicht allein im Zimmer waren, hielt sie nicht davon ab, sich wie gestern bequem aufsein Bett zu setzen. Sie trug wieder Jeans.
    »Welcher, Ilse oder Bo?«
    »Ja, stimmt eigentlich, du scheinst nur Spinner als Freunde zu haben. Jedenfalls mein ich den andern, nicht Ilse.«
    »Und wieso Spinner?«
    »Weil er gestern am Weg lag und eine Ohnmacht vortäuschte, als ich vorbeikam.«
    »Was!?«
    »Er hat zu nervöse Augenlider. Ich hab’s gleich bemerkt.«
    Bo versuchte es mit einer Ausrede, als er sich durchschaut wußte. Er erwache eben aus einer Ohnmacht; ob sie ihn nicht heimbegleiten könne. Er sei so schwach.
    Laura, die darüber lachen mußte, daß er sich extra etwas Dreck ins Gesicht geschmiert hatte, damit es glaubhafter wirkte, ließ keinen Zweifel daran, daß sie das ganze für Schwindel hielt, und Bo pflichtete ihr lachend bei. Er habe sie kennenlernen wollen, er sei verrückt nach ihr, ihre blauen Augen erinnerten ihn an seine verstorbene Mutter ...
    »Meine Augen sind braun«, hatte sie eingeworfen, und in fliegendem Wechsel war er auf braun, ja braun, habe er doch sagen wollen, seine Mutter habe ja auch braune Augen gehabt, umgestiegen.
    »Seine Mutter lebt«, sagte Giovanni.
    »Weiß ich doch«, lachte Laura, »ich hab ihn stehenlassen. Er spinnt.«
    Sie hatte ein Spiel mitgebracht. Reversi. Man mußte Steine in eine Reihe legen und gleichzeitig verhindern, daß dies dem andern gelang. Giovanni verlor. Er hätte heulen können. Laß sie mir, dachte er immer wieder, laß sie mir. Du kannst alle haben, laß diese mir. Als die Schwester seinen Bettnachbarn hereinscheuchte und »Abendessen« rief, packte Laura das Spiel ein und ging.
    Sie schien ihm seine Einsilbigkeit nicht krummzunehmen, wußte vielleicht sogar, weshalb er so war.
    An dieser Verstörung und seiner Wut auf Bo merkte Giovanni, daß er sich verliebt haben mußte. Man erkennt es daran, dachte er, daß kein anderer das Mädchen kriegen soll. Genau wußte er es nicht, aber die Suche in dieser Richtung würde lohnen.
    Bo war an diesem Tag nicht gekommen, kam am nächsten nicht, und dann wurde Giovanni nach Hause entlassen. Auch dort ließ Bo sich nicht blicken. Aber Laura besuchte ihn wieder. Giovanni hörte, wie sie sich artig seiner Mutter vorstellte, und warf das Buch, in dem er gelesen hatte, in die Ecke.
    »Besuch für dich, Paul«, sagte seine Mutter mit dieser Melodie in der Stimme, an der man hörte, daß ihr das Mädchen gefiel.
    »Paul? Bist du dein Zwillingsbruder?« fragte Laura und zog sich die Jacke von den Armen.
    Giovanni zeigte nur stumm den Gips vor und sagte: »Ich erklär’s dir später mal, aber nenn mich bitte Giovanni.«
    »Wann später?«
    »Wenn du mich magst«, fuhr es ihm heraus, bevor er noch den Mut dazu hätte verlieren können.
    Sie warf die Jacke über einen Stuhl, schob sich die Pulloverärmel nach oben und sagte: »Ich besuch dich schon zum dritten Mal. Du mußt ja blöd sein. Zwei Spinner und ein Blödian. Schöne Bande.« Und sie lehnte sich sehr erwachsen und überlegen an die Tür.
    Giovanni schwieg, denn er freute sich und war verblüfft, einen geeigneten Köder beim Komplimentefischen benutzt zu haben. Um eine Antwort zu vermeiden, zog er die Schachtel Wildpralinen, um deren Fang er Ilse gestern gebeten hatte, unterm Bett hervor.
    »Mmmmh«, sagte sie, »so erzieht man kleine

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