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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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versuchen soll? Ich bitte Dich, hau richtig zu. Sag ihm, was immer ich auch von ihm in guter Erinnerung behalten haben mag, es ist gelöscht. Sag ihm, ich will keine Post von ihm, weder mit noch ohne Skalp, ich will ihn nicht mehr sehen. Sag ihm das. Und vergiß nicht, fest zuzuhauen. Wenn sein Gesicht nicht rot ist, mußt Du noch mal hinlangen. Er versteht keine andere Sprache. Mein Liebster, schrieb sie weiter, sei nicht traurig über ihn, ich freue mich schon jetzt auf Dich. Amerika hat seine Schattenseiten. Später mehr, Deine Laura.
    Er ging mit dem Brief zu Bo und sagte: »Fühl dich geohrfeigt, ich kann’s nicht.«
    Es ging tatsächlich nicht. Seit Gundi und Margaux war er Bo in einer Weise verbunden, die seine Loyalität zu Laura schwächte. Er konnte Bo nicht schlagen. Nicht mal in Lauras Auftrag und obwohl ihm danach war.
    »Du bist schon ein seltenes Arschloch«, sagte er.
    »Aber selten«, sagte Bo, »immerhin selten.« Und demnächst werde er noch wesentlich seltener sein, er gehe nämlich nach Hamburg, um sich dort an der Schauspielschule zu bewerben.
    »Und die Schule?«
    »Hab ich schon geschmissen, weiß nur noch niemand. Ich fahr übermorgen, meine Eltern werden staunen.«
    »Ja«, sagte Giovanni, »glaub ich auch.«

 
SIEBZEHN
    In denjugoslawischen Restaurants bekam man einen kostenlosen Slibowitz zur Begrüßung. Wenn man Willy Brandt war, bekam man den Nobelpreis zur Belohnung, und wenn man lan McLeod hieß, konnte man durch eine geschlossene Tür hindurch nackt in Notwehr erschossen werden.
     
    Vor einem erbosten Dealer, dem er Geld schuldete, und dem Kreiswehrersatzamt, das ihn zur Musterung bestellt hatte, war Ilse nach Berlin geflohen. Die Liaison mit Heike und Ali hatte in einem Fiasko geendet. Einer der drei, vermutlich Ilse, hatte einen Tripper in die Beziehung eingebracht, woraufjeder jeden beschuldigte und keiner es gewesen war. Schließlich wurden Schlösser ausgewechselt und Anwälte bemüht. Eine Umzugsfirma, drei Hehler und ein Privatdetektiv profitierten am Ende von der totalen Auflösung des auf einmal gar nicht mehr so lockeren Dreiecksverhältnisses.
    Ilse war froh, auch seinem Vater, der Werkstatt und der Malerlehre entkommen zu sein. Das war alles unter seiner Würde. In Berlin entwickelte er schnell eine Nase für Antiquitäten, entrümpelte Wohnungen, und was nicht direkt eine Antiquität war, machte er zu einer. Seinen Anspruch auf Ruhm und Ehre als Künstler stornierte er vorübergehend zugunsten des Vorteils, immer Geld in der Tasche zu haben.
    Heike wollte ihm folgen, doch er gab sich so kühl, daß sie blieb und eine Ein-Zimmer-Wohnung im Westen der Stadt bezog. Nah beim Postershop, den Ali ihr nicht hatte wegnehmen können.
    Das Abitur rückte näher, und Giovanni setzte sich, wie sein Vater es ausdrückte, auf den Hosenboden. Bald blieben Lauras Briefe, Spaziergänge mit Freddie und ein neues Lied, in dem das Weinen ohne Augen aufgetaucht war, noch die einzigen Verbindungen zum Leben. Das übrige war stures, stumpfes Den-Kopf-Vollpauken mit Formeln, Daten und Begriffen. Gut, daß der Herbst naß und kalt war, daß niemand ihn verlockte, kein Bo in der Stadt, kein Ilse in der Nähe und nichts, was das Kragenhochschlagen oder Stiefelanziehen wert gewesen wäre.
    Laura verschwand nach und nach aus Suzanne. Ihr Bild wurde blasser, und Giovanni ertappte sich manchmal dabei, daß er die Augen fest zusammenkniff, als könne er es dadurch noch beschwören. Es nutzte nichts. Laura zog sich aus dem Lied zurück. Jetzt verhalf ihm auch die Erinnerung nicht mehr zu ihrem Geruch, zu ihrer Stimme und ihrer Berührung, und er bekam Angst, sie nicht mehr in sich halten zu können. In ihren Briefen immerhin existierte sie noch und ein wenig auch in Freddies Fell, in das Giovanni manchmal traurig seine Nase vergrub, um nach dem Rest von Laura, der dort noch war, zu suchen.
    Manchmal, wenn er Paul besuchte, fand er auch dort dieses halbleere Dunkel, diesen etwas zu lauten Klang der eigenen Schritte und die etwas zu langen Gesprächspausen.
    Wenn Giovanni auf Sabine kam, bat Paul darum, von anderem zu reden. Giovanni gehöre nicht in diese Geschichte, er solle vergessen, daß und wie er darin gewesen sei. Schließlich trafen sie sich nur noch zufällig spät abends im Salon der Hundert, wenn ihnen beiden wieder einmal die Decke auf den Kopf gefallen war.
    Wo stehe ich eigentlich, fragte sich Giovanni manchmal, wenn er die an Bürgerkrieg erinnernden Bilder aus Berlin sah. Dort

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