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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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sagte er, und Giovanni staunte, aber traute sich nicht, Ilse auszufragen, wie das im einzelnen vor sich ging. Steckten die alle drei gleichzeitig ineinander? Der Reihe nach? Jede Frage, die ihm einfiel, kam ihm, gemessen an der Weltläufigkeit, die er bei Ilse vermutete, derart provinziell vor, daß er sie nicht zu stellen wagte. So blieben seine Vorstellungen von dem, was Ilse mit den beiden trieb, von Pornographie, Buchzitaten und der eigenen Phantasie geprägt. Er fand es toll und nahm sich vor, Laura davon zu erzählen.
    Ilse hatte angefangen zu fotografieren. In einem kleinen Club, den man nur nach Gesichtskontrolle betreten durfte und wo man bis morgens um fünf sitzen und sich als Teil der Avantgarde fühlen konnte, stellte er Fotografien aus, auf denen man blasierte Gesichter mit tiefen Schatten sah. »Salon der Hundert« hieß der Club, und Giovanni gehörte zu den Stammgästen, seit Ilse ihn eingeführt hatte.
    Das Ehepaar, mit dem Ilse zusammenlebte, war sehr schwarz gekleidet und reich. Ali, ein Frauenarzt, fuhr einen alten Jaguar Mark 10, und Heike, seine Frau, besaß einen Postershop beim Schloß, wo man Che Guevara, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Humphrey Bogart, Mao, James Dean und Frank Zappa auf dem Klo kaufen konnte.
    Im Salon der Hundert herrschte schwarze Kleidung vor. Meist liefen Platten von Juliette Greco, und Jeanne, die Besitzerin des Clubs, war noch schwärzer als alle Besucher zusammen. Das einzige nicht Schwarze an ihr waren die wenigen sichtbaren Stellen ihrer lakenweißen Haut und der blutrot geschminkte Mund. Sie hatte den Club vor einem Jahr übernommen, nachdem der Vorbesitzer, in ein schwarzes Tuch gehüllt, vom höchsten Bau eines Wohnheimkomplexes für Studenten gesprungen war.
    Giovanni schrieb inzwischen Konzertkritiken für die Zeitung. Er war einfach in die Redaktion gegangen und hatte gefragt, ob man ihn nicht brauchen könne. Man konnte. Die kleineren und größeren Rockkonzerte waren ein Gebiet, an das sich die festangestellten Kulturleute nicht so recht heranwagten, und Giovanni lernte schnell, sich dem Zeitungsstil so anzupassen, daß seine Berichte kaum noch redigiert wurden.
    Möglicherweise hatte ihm dieser Umstand erst den Einlaß in den Club beschert, denn eigentlich mußte man, um Mitglied zu sein, schwul, reich, schwarzgekleidet oder irgendwie bekannt sein. Oder befreundet mit einem, der diese Kriterien erfüllte.
    Eines Abends, nach einem Konzert der Gruppe East of Eden in der Mensa, saß Giovanni im Club und schrieb seine Kritik auf die Blätter eines Notizblocks, den er immer bei sich trug. Es war kurz vor zwölf, der Club hatte eben erst geöffnet, und er war mit Jeanne allein, die an der Theke stand und Platten sortierte. Da klingelte es, und herein kamen Paul und eine Frau. Giovanni freute sich sehr, denn er hatte Paul seit Lauras Abflug im Juni nicht gesehen. Paul stellte die Frau als seine Freundin Sabine vor und nahm Giovanni fest in den Arm, wobei er »Luftpost und Liebe« murmelte. Es klang traurig.
    Allmählich füllte sich der Club, und da der Raum nur etwa fünfzehn Leuten Platz bot, also jeder jeden hören konnte, sprachen sie nur über das Theaterstück, das Paul und Sabine gesehen hatten, und Giovannis Eindrücke vom Konzert.
    Bald kamen Bo und eine Schauspielerin und, nicht viel später, Ilse mit Heike. Giovanni war fasziniert von Sabine. Obwohl sie noch jung war, hatte sie graue Haare, machte einen ruhigen und gleichzeitig feurigen Eindruck und schien ihm Zentrum des Geschehens. Er merkte, daß er sich Mühe gab, von ihr gemocht zu werden, und fühlte einen feinen Stich von Schuldbewußtsein Laura gegenüber, die doch Sabine nicht leiden konnte. Irgendwann sagte Paul, er staune, wie erwachsen sie geworden seien, Ilse, er und Bo, und Giovanni war stolz auf seine Freunde vor Paul und stolz auf Paul vor ihnen. Gegen fünf Uhr brachen Paul und Sabine auf und nahmen ihn mit, da er es von der Landhausstraße nicht mehr weit nach Hause hatte.
    »Scheiße, es ist soweit«, murmelte Paul, als er in die Landhausstraße einbog. Schräg gegenüber seinem Haus parkte ein VW ohne Licht, aber mit zwei Personen darin, deren Zigaretten abwechselnd aufglühten. Er fuhr ruhig und ohne den Kopf zu drehen an ihnen vorbei, bog in die Denzenbergstraße ein und von dort auf die große Straße, die aus der Stadt führte. Dann nahm er nach einigen Kilometern einen Waldweg und stellte den Wagen erst ab, als er nicht mehr von der Straße aus gesehen werden konnte.
    Giovanni

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