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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Beim Ausfüllen der Anmeldezettel tastete Giovanni nach ihrem Körper und spürte, wie ihre Hand nach seiner griff.
    »Bist du noch da?« fragte er leise. So leise, daß es die Frau am Empfang nicht hören konnte. Ein Händedruck war die Antwort.
    Während der Fahrt im Fahrstuhl zum achtzehnten Stock standen sie einander gegenüber und sahen sich an. Laura biß wie nachdenklich in ihre Unterlippe, aber ihre Augen waren klar und fest auf ihn gerichtet.
    Das Zimmer öffnete sie und trat ein, ohne sich nach ihm umzusehen. Er hängte das rote Schild nach draußen und schloß die Tür.
    »Wir wissen nicht, ob das gut ist«, sagte sie und zog sich schnell und sicher aus. Auch er beeilte sich, und doch war sie schon nackt bei ihm, als er die Hose von den Hüften schob. Die Socken hatte er schon vorher abgestreift und so war seine Unterhose das letzte Stück Stoff an ihm, und sie schob sie nach unten, während sie ihn gleichzeitig schon in den Mund nahm.
    Sie ließ nur kurz die Zunge spielen, während er in ihrem Haar nach mehr von ihr suchte. Sie stand auf, zog ihn aufs Bett und über sich und griff und suchte nach allen erreichbaren Stellen an ihm, die sie, fahrig und nach kurzem Druck der Hand, gleich wieder verließ. Auch seine Hände versuchten, soviel wie möglich von ihrer Haut zu berühren, und auch seine Hände konnten nirgends bleiben, denn das Fassen einer Stelle bedeutete den Verzicht auf eine andere. Bald war er in ihr und kam viel zu schnell und stemmte sich steif an ihre Raserei. Es tat weh und gut zugleich, und als sie sich von ihm löste, blieb nur kurze Zeit für beide zum Verschnaufen.
    Sie küßte ihm die Schweißperlen vom Gesicht und verstrich die Nässe, die sie aus ihrem Schoß holte, auf seinem Bauch.
    »Das reicht niemals«, sagte sie und legte seine Hand in ihren Schoß. Bald löste er die Hand mit seiner Zunge ab und hatte das Gefühl, daß er sie jagte. Er jagte sie dorthin, wo sie jetzt sein wollte, sein mußte, wo niemand auf sie wartete, außer ihrer eigenen Lust. Er jagte sie und half ihr beim Alleinsein. Dem einzig guten Alleinsein vielleicht. Und doch war es, als ob er in der Lage sei, ihr zu folgen. War das nicht seine Lust, sein Ziel, sein Verlieren der Konturen, die wiederzufinden nachher ein Wunder sein würde, ein Rätsel? Je weiter er sie jagte, desto weiter kam auch er, und es bedurfte nur weniger Bewegungen seiner eigenen Hand, um mit ihr im selben schwarzen Loch zu verschwinden. Oder war es nur sehr ähnlich?
    Er hatte ihren Fuß umfaßt und sie eine Hand in seinem Haar vergraben, und so lagen sie schweigend und horchten den vergangenen Geräuschen ihrer Lust hinterher. Sie sahen sich selber wieder fortgehen vor ihren inneren Augen, deren Wahrnehmung sie keine Bedeutung beimaßen, denn dies Fortgehen würde immer die Folge solcher Nähe sein.
    Und noch etwas horchten sie hinterher. Der Überraschung, daß noch alles stimmte. Zumindest ihre Körper hatten alle Zweifel ausgeräumt, die Jahre, das Lernen, das Leben und die Menschen hätten den anderen zur Unkenntlichkeit verändern können. Auch der alte Giovanni schien für Laura noch im neuen enthalten. Ihr Körper jedenfalls hatte seinen erkannt.
    Was alles in glücklicher Erschöpfung gedacht werden kann, dachte sich nun schlendernd durch ihre Köpfe, tippte hier und tippte dort, bei Hoffnungen und Ängsten, bei Erklärungen und Fragen, an die Mütze.
    Nicht Eifersucht war es, aber doch ein Gefühl nah am Schmerz, das Giovanni empfand, als er bedachte, daß Orgasmen damals bei Laura nicht vorgekommen waren. Aber der Schmerz war doch eine Art Glück beim Begreifen, daß so etwas in Verbindung mit ihm, durch ihn, an ihm entstehen konnte. So aufgegangen war er noch nie in der Lust einer Frau, und er hoffte dasselbe von Laura. Spiegelbildlich.
    Von weither schien ihre Stimme zu kommen, als sie sagte: »Wenn wir jetzt nicht reden, dann summen unsere Gedanken.«
    »Ich liebe dich«, sagte er, »und mir ist alles andere wurscht.«
    Laura ließ die Badewanne vollaufen, und Giovanni blitzte Karen durch den Kopf. Wenn er jetzt mit Laura in die Wanne stieg, löschte er dann das Erlebnis mit Karen, oder beschwor er es herauf? Er würde sich untreu fühlen, wenn er an Karen dächte, aber wie schafft man es, an etwas nicht zu denken? Aber war nicht Karen damals Laura gewesen? Doofe Logelei, unnötig, darüber nachzudenken. Wieso denkt man solchen Mist? Er stieg in die Wanne.
    Sie sprachen scheu fast nur von ihrem Wiederfinden, und es schien,

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