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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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erneuter Ohrfeigen, falls er einen Fehler machte. So jedenfalls interpretierte er dieses angedeutete Lächeln und den leisen Ton, in dem sie sprach.
    »Gehst du mit mir essen?«
    »Ich lade dich sogar zu mir nach Hause ein.«
    »Also bist du dir jetzt sicher?«
    Sie antwortete nicht.
    In ihrem Fiat fuhr sie ihn in eine große, schöne Altbauwohnung im Westend. Bevor er ausstieg, fragte Giovanni: »Hast du ein Kind?«
    »Noch nicht.«
    Sie war verheiratet mit einem Architekten, und der Wohnung sah man an, daß er viel Geld haben mußte. »Er mag dein Buch nicht«, sagte sie, und Giovanni erstaunte die Komplizenschaft, die sie dadurch mit ihm einging.
    »Liebst du ihn?« fragte er.
    »Das geht dich tatsächlich nichts an.« Da war er wieder, dieser drohende Unterton.
    »Ich mag dein Buch sehr, obwohl ich diese Nebengeschichte ein bißchen langweilig fand. Aber die Liebesgeschichte, ich geb’s zu, das meiste hat mich naßgemacht.«
    Sie sah, daß er überlegte, wie sie dieses »naß gemacht« meinen mochte, und fügte hinzu: »Naß zwischen den Beinen, du Herzchen, geil, erregt, scharf. Ich wollte es wiederhaben.«
    Er schluckte: »Und jetzt, willst du noch?«
    »Nein, mein Lieber, nein, nein. Dafür ist deine Laura zuständig. Ich helfe mir eher mit der Hand, bevor ich dich noch mal anrühre.«
    Ihre Direktheit verwirrte ihn. Nicht nur, weil das eigentlich nicht ihre Art zu reden war, es klang auch so abschätzig und gab gleichzeitig Begehren zu. Er verstand nicht, was vorging.
    Laura sei nach wie vor in Amerika, da sei nichts, sagte er, aber sie fegte seine Worte beiseite.
    »Komm, hör auf, ich muß dir doch nicht erklären, daß es nicht darum geht, ob du es mit ihr machst, sondern ob du willst.«
    Er antwortete nicht. Das seltsame Gefühl, daß eine Art Gerichtsverhandlung stattfinde, daß sie ihn ansehe, um ihn zu beurteilen, und daß dieses Urteil nicht positiv ausfallen könne, verstärkte sich noch durch ihr Schweigen. Sie saß einfach da mit ironisch-fassungslosem Gesichtsausdruck, so als frage sie sich, was sie je an ihm gefunden habe.
    »Du bist sehr sauer auf mich«, sagte er schließlich.
    »Ja.«
    »Warum bin ich dann hier?«
    Sie zuckte nur die Schultern, aber so, daß er sicher sein konnte, sie wisse die Antwort, enthalte sie ihm nur aus Gründen, die ihn auch nichts angingen, vor.
    »Rufst du mir ein Taxi?« fragte er schließlich und stand auf, um die zunehmend unerträglicher werdende Atmosphäre zu verlassen.
    Sie zuckte wieder mit den Schultern, ging aber zum Telefon und bestellte einen Wagen.
    »Ich warte unten«, sagte er und hatte Angst, auf der Treppe zu stürzen, so eindringlich fühlte er ihren Blick in seinem Rücken.
     
    Er schlief schlecht in dieser Nacht und ließ, zu Hause angekommen, ihre Adresse noch tagelang im Geldbeutel, bevor er sie betont achtlos in den Karteikasten legte.
    Um die Wirkung dieser Augen, die ihn so distanziert gemustert hatten, abzuschwächen, die niederschmetternde Erinnerung an dieses halbe, böse Lächeln und den traurigen Hohn in den Worten »Ich helfe mir eher mit der Hand, als dich noch einmal anzurühren«, sagte er sich selber Dinge wie »Jetzt ist die Schönheit beim Geld, wie sich’s gehört«, aber er wußte, daß es billige Repliken waren und keine Argumente. Sie war im Recht in seinen Augen. Und er nicht im Unrecht.
    Noch unter dem Eindruck, Karens Haß, Verachtung oder was auch immer es war, unverschuldet verdient zu haben, schickte er Laura ein Telegramm mit den Worten: »Was hast Du eigentlich mit mir vor?«
    Es war eine willkommene Möglichkeit für ihn, die Verantwortung für Karens Wut nicht allein zu tragen. Sollte doch Laura ihren Teil davon nehmen. Sollte sie doch sagen, ob sie ihn wollte oder nicht. Sollte sagen, komm her und laß uns herausfinden, ob wir noch wir sind. Oder irgendwas in dieser Art. Er war böse auf sie. Nun hatte er jahrelang diesen Strohhalm aus Briefen festgehalten, aber an Land war er nicht damit gekommen. Sie sollte ihn wollen oder freigeben. Nicht beides wie bisher.
    Seinen eigenen Anteil an dieser doppeldeutigen Situation verschwieg er sich. Vor dem Hintergrund von Karens abfälliger Verletztheit konnte er sich nur in einer Opferrolle ertragen. Laura hatte ihn da hineingedrängt. Sie hielt ihn fest, aber auf Distanz, sie wollte ihn nicht lassen, obwohl sie ihn nicht nahm.
    Nichts von diesem Ärger war mehr zu spüren, als ihre Stimme zwei Tage später aus dem Hörer kam: »Das ist Laura«, und als er nicht sofort

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