Das Herz kennt die Wahrheit
das schweißbedeckte Gesicht. "Und Fielding in der Kombüse bei der Suppe geholfen. Er sagt, dass er mich im Augenblick nicht braucht."
"Gut, Junge."
"Gibt es noch etwas anderes, was ich tun kann?"
Newton musterte den Burschen, der ständig von einer Arbeit zur nächsten zu eilen schien. "Nein, Junge. Du kannst die anderen fragen, ob sie deine Hilfe brauchen."
"Ich dachte nur …" Whit verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall. "Könnte ich in die Wanten klettern? Der Captain hat es mir erlaubt, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin."
Newton schaute nach oben und sah Darcy, die hoch über ihren Köpfen an einem Tau hing. "Dir wird schwindelig werden, Junge."
"Nein, Sir. Ich bin auf Bäume geklettert und sogar auf das Dach unseres alten Schuppens, und nie ist mir schwindelig geworden."
"Das hier ist kein Baum oder Schuppen, Junge. Eher ein Berg. Und dieser Berg bewegt sich unter dir. Lass dir das eine Warnung sein. Selbst erwachsene Männer können da nicht hinauf, ohne dass ihnen schlecht wird."
"Mir wird nicht schlecht, Newt. Ich gebe Euch mein Wort."
"So etwas kann man nicht versprechen, Whit. Einige können es, andere nicht, so einfach ist das." Der alte Mann dachte einen Moment nach. Doch als er den flehenden Blick in den Augen dieses jungen Burschen sah, gab er nach. "Nun gut. Aber dass wir uns richtig verstehen: Du musst langsam klettern, damit es sich nicht in deinem Kopf dreht. Und wenn dir schwindelig wird, dann sag sofort dem Captain Bescheid. Darcy kann dich so lange festhalten, bis du wieder einen klaren Kopf hast."
"Aye, Sir." Whit stürmte zur Reling, kletterte hinauf, ergriff dann ein Tau und zog sich daran hoch.
"Ahoi, Captain." Newton formte die Hände zu einem Trichter, damit Darcy ihn hörte. "Der Bursche kommt zu dir hinauf."
"Aye, Newt." Darcy beugte sich weit über die Segel, und als sie Whit erblickte, stieg sie die Wanten hinunter, bis sie ihn auf halbem Weg traf.
Die beiden kletterten gemeinsam hoch, wobei Darcy dicht hinter dem Jungen blieb.
Gryf, der am Steuerrad stand, musste lächeln, als er Whit beobachtete, der sich ein wenig linkisch anstellte, während die junge Frau unter ihm sich mit der Anmut eines Engels bewegte.
"Denkt Ihr, ihm wird schlecht?" wollte Newton wissen.
Gryf hob die Achseln. "Das kann man nicht wissen, solange er es nicht versucht. Aber ich bin froh, dass Ihr ihm die Gelegenheit gebt, Newt. Der Junge ist hingerissen von unserem Captain."
"Er ist nicht der Einzige, wie mir scheint." Newton wandte sich ihm zu und durchbohrte Gryf mit einem strengen Blick. "Ich sah, wie Ihr sie hin und wieder beobachtet habt."
"Ja. Nehmt Ihr mir das übel?" Gryf sah dem alten Seemann fest in die Augen. "Von ihr sind wohl alle Männer geblendet."
"Das mag sein. Doch trotz ihrer Furchtlosigkeit ist sie eine liebliche, unschuldige junge Frau. Versteht Ihr, was ich damit sagen will?"
"Vollkommen."
Die beiden Männer standen sich für einen Moment gegenüber und maßen einander mit ernsten Blicken. Schließlich kehrte Newton sich ab und mischte sich unter die Mannschaft. Doch jedes Mal, wenn er über die Schulter schaute, sah er, dass Gryf die Augen nicht von den Wanten wenden konnte – sein Augenausdruck verriet, wie fasziniert dieser Mann von seinem Kapitän war. Allein dieser Gedanke brachte den alten Seemann zur Weißglut, und sein Beschützerinstinkt drohte überhand zu nehmen.
Doch obgleich es in ihm gärte, musste der alte Mann sich eingestehen, dass er vollkommen verstand. Darcy würde selbst einen Heiligen blenden. Und Gryfs Augenausdruck nach zu urteilen, hatte dieser Mann gewiss keine frommen Gedanken.
Newton seufzte. Jetzt musste er sich auch noch um diese Sache kümmern. Die Frau war ein schillernder Fisch in einem Haifischbecken, solange sie nur von Männern umgeben war.
"Bist du jemals so hoch oben gewesen, Whit?" Darcy hielt sich mit einer Hand fest, um im Notfall mit der anderen Hand nach dem Jungen greifen zu können, wenn ihm schwindelig werden sollte.
"Nein, Captain." Er klammerte sich an die Seile und verharrte auf der Hälfte der Wanten, um auf den Atlantik zu blicken, der sich endlos unter ihm ausbreitete. "Oh, schaut nur, wie weit man sehen kann."
"Ja. Manchmal, wenn ich hier oben bin, bilde ich mir ein, ich könnte über den ganzen Ozean blicken und ferne Länder entdecken."
"Seht Euch Newt dort unten an der Reling an." Der Junge grinste. "Er ist so klein, man sieht ihn kaum."
Darcy
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