Das Herz meines Feindes
ten, wer letztlich die Haup t rolle spielen wird.«
»Ich verstehe nicht…« Lilliane schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich verstehe nicht. Ist der König nicht immer die wichtigste Person?«
Bei diesen Worten verflog sein scharfer Sarkasmus. »Der König und sein Wohlergehen – muss für seine Untertanen immer von vorra n giger Bedeutung sein. Mach dir über mei ne Worte keine Sorgen, Lily. Sie bezogen sich nicht auf dich.«
»Aber auf dich. Und ich bin deine Frau.«
»Ja.« Aufmerksam und ernst betrachtete er ihr Gesicht. »Du bist meine Frau. Und als solche bitte ich dich, dich in meiner Nähe zu halten und nichts ohne meine ausdrückliche Zustimmung zu tun.«
Offensichtlich war seine unbeugsame Stimmung zurückgekehrt, und höflich begleitete er sie zur Tür. Lilliane ging bereitwillig mit ihm, aber sein mer k würdiges Verhalten beunruhigte sie noch immer. Als sie über den Hof zum Tower selbst und dann die Stufen hinauf zu der prachtvollen Banketthalle schritten, dachte sie über die plötzliche Verände rung seiner Stimmung nach. Zunächst war er erschöpft und niedergeschlagen gewesen, doch jetzt wirkte er auf sie fast wie ein Raubtier. Wie bei einem Wolf, der sich an seine Beute heranpirscht, glomm in seinen Augen jetzt ein gefährlicher Funke. Er bewegte sich wie ein Jäger, vorsichtig, jedoch ohne Furcht, all seine Schläue und Kraft sorgsam unter Kontrolle. Aber sie wusste, dass er für alles, was da kommen mochte, be reit war.
Sehr zu Lillianes Erleichterung blieb Corbett auf dem schmalen Treppenabsatz stehen. Sie musste sich dringend sammeln, bevor sie den Mut fand, sich einer solch großen und edlen Gesellschaft hinzuz u gesellen. Einen Augenblick lang waren ihre Sorgen um Corbett vergessen, denn sie dachte darüber nach, wie bedeutungslos sie selbst doch war. Sicherlich würden alle sofort erkennen, dass sie nur die Toch ter eines unbedeutenden Schlossherren auf einem der Güter im hohen Norden war. Aber Corbett unterbrach ihre er schr e ckenden Überlegungen.
»Komm jetzt, Lilliane. Ich möchte ein Lächeln auf deinen Lippen sehen.« Er sah sie an und hob ihr Gesicht zu dem sei nen empor.
»Du lächelst doch auch nicht«, gab sie nervös zurück. »Und du nennst mich niemals Lilliane, wenn es dir nicht wirklich ernst ist.«
Wenn ihn ihre Beobachtung in Erstaunen versetzt hatte, ließ er sich nichts anmerken. Und er sagte auch nichts dazu. Statt dessen holte er ein kleines samtenes Säckchen aus seiner Tunika.
»Ich wollte dir dies hier schon früher geben, aber ich habe mich immer wieder ablenken lassen.« Dann zog er die Schnüre auf und ließ ein glitzerndes Halsband in seine Hand gleiten. Wie goldenes Feuer fing es das Licht der Fackeln auf, und sein Funkeln schien ihr fast zuzuwinken.
Lilliane war vor Überraschung sprachlos, als sie das kost bare Stück betrachtete, das nun an seinen Fingern baumelte. An einer filigran gearbeiteten Goldkette waren zahlreiche Anhänger befestigt, die auf die gleiche Weise geformt waren.
In der Mitte eines jeden dieser hübschen Anhänger funkelte ein riesiger Saphir, eingefasst von zwei kleineren Rubinen. Corbett lächelte angesichts ihrer Überraschung. Dann nutzte er ihr Schweigen aus, um ihr das ungewöhnliche Stück um den schlanken Hals zu legen.
»Oh, Corbett! Danke, danke! Es ist wunderschön!«
»Um so besser passt es zu dir. Ich wusste, es würde dir ge fallen.« Er ließ einen Finger über ihr Schlü s selbein gleiten, wobei er die Konturen der Halskette nachzog. »Der Meridi an-Ring machte dich zu der meinen. Diese Halskette aus Gold und Saphiren macht dich zu einer großen Lady des Kö nigreiches und zu einem Teil dieses Hofes.«
Etwas in seiner Stimme, ein Schatten in seinen Augen, als er diese letzten Worte sprach, ließ Lilliane aufhorchen. Aufs neue besorgt betrachtete sie sein Gesicht noch aufmerksa mer. »Ist das alles, was am Hof vonnöten ist, die Zurschau stellung von Reic h tum?«
Einen Augenblick lang schien es, als ob er sie gar nicht gehört hätte. »Reichtum ist hilfreich«, antwortete er schließlich. »Ein scharf beobachtender Verstand ist besser. Aber Wissen… « Er lächelte grimmig. »Wissen ist die wahre Macht bei Hof.«
Er ließ sich nicht weiter aus, sondern umarmte sie plötz lich heftig. Er küsste sie wütend auf den Mund, bis ihr fast die Sinne schwanden. Dann legte er ihre Hand auf seinen Arm und führte sie in die Festhalle.
Lilliane konnte sich an ihr Eintreten kaum erinnern, denn dieser unerwartete
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