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Das Herz meines Feindes

Das Herz meines Feindes

Titel: Das Herz meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rexanne Becnel
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Kuss hatte sie ziemlich aus der Fassung gebracht. Hinzu kamen sein merkwü r diges Verhalten und seine besorgniserregenden Stimmungsschwankungen. Im Verlaufe dieses Nachmittags hatte auch sie selbst alle mögli chen Stimmungen durchlebt, von Heiterkeit über Verärge rung und Verdruss bis hin zum Zorn, alles durch ihn ausge löst. Jetzt war sie nicht mehr zornig, sondern verwirrter denn je. Doch sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass er et was für sie zu empfinden schien. Immerhin hatte er sie mit hierher genommen, und jetzt hatte er ihr diese herrliche Halskette geschenkt.
    Sie betastete das goldene Prachtstück um ihren Hals, dann hob sie das Kinn eine Idee und sah sich in dem vollen Saal um. London würde tatsächlich schwierig werden, wie ihr jetzt klar wurde. Sie würde einfach versuchen, sich an Corbetts Anwe i sungen zu halten, und vielleicht würde zum Zeitpunkt ihrer Abreise sein Vertrauen in sie gewachsen sein.
    Dieser Gedanke wärmte sie; sie rang sich ein Lächeln ab und sah sich die Halle näher an.
    Der White Tower war in ganz England bekannt, denn er war das erste Zeichen der Macht gewesen, das William der Eroberer in diesem Land errichtet hatte, nachdem er es den Sachsen abgerungen harte. Er wurde abwechselnd als Turm des Eroberers oder als Palatinum bezeichnet, doch mittlerweile sprach man nur noch vom White Tower, vom weißen Turm also, obwohl er inzwischen alles andere als weiß war. Aber unabhängig davon, welchen Namen man ihm gab, er war immer noch das Herz des englischen Gesetzes, und Lil liane respektierte das. Trotz Corbetts offensichtlicher Abnei gung – und schlecht verhehlter Verachtung – für diesen Ort wusste sie, dass selbst er sich der großen Macht, die sich mit diesem Bauwerk verband, bewusst war.
    Tatsächlich war sie von der geringen Größe der Banketthalle überrascht. Orricks große Halle war fast genauso groß, denn sie waren beide auf die alte normannische Art erbaut worden. Bestimmt ließen die neueren Kathedralen, die sie aus der Ferne gesehen hatte, diese Halle eher als klein er scheinen.
    Aber trotzdem war sie beeindruckt. Die fein gewobenen Wandte p piche, auf denen Englands Geschichte dargestellt wurde, unzählige parfümierte und flackernde Kerzen und riesige Teppiche, die den ganzen Boden bedeckten, verliehen diesem eher schlichten Ort wahre Majestät. Myriaden von elegant gekleideten Lords und Ladys wanderten ungezwu n gen von einer Gruppe von Menschen zur nächsten. Der An blick ließ sie erneut zögern.
    Als ob er ihre Gefühle erriet, murmelte Corbett beruhi gend: »Sie sind auch nicht mehr als du, meine Gemahlin, durch ihre Stellung oder ihre Geburt oder Heirat dazu be fugt, diesen Ort zu betreten. Und sie werden wahrscheinlich ebenso wenig Dauerhaftes vollbringen wie du oder ich«, füg te er trocken hinzu.
    Jetzt war es an ihr, die Rolle der Gemahlin eines bedeu tenden Lords des Königreiches zu spielen. Wie sie von ihrer Mutter gelernt hatte, erfüllte sie diese Aufgabe mit der rich tigen Mischung aus weiblicher Zurückhaltung und dem Hochmut, der einer Dame von Adel zukam. Sie war dank bar, am Arm ihres Gatten bleiben zu dürfen, als er sich seinen Weg durch die Menge bahnte und auf allen Seiten seine Bekannten grüßte. Wem sie auch vorgestellt wurde, die Menschen sahen sie neugierig oder abschätzend an.
    Die Blicke der Männer waren begierig, aber wenige bekundeten ihr Interesse so weit, dass sie sie in ein priva tes Gespräch zu ziehen versuchten. Das verhinderte schon Corbetts dunkler Blick. Bei den wenigen Ladys war er nach sichtiger. Er gestattete ihr, kurz mit Lady Katherine of Her eford und Lady Elizabeth of Littleton zu plaudern. Doch noch immer spürte sie seine Ruhelosigkeit. Er ließ seine Au gen ständig über die Versammlung gleiten. Lilliane hatte fast das Gefühl, dass er jemanden suchte. Dann näherte sich ihnen ein breitschultriger, strahlender Kerl.
    »Ho, der junge Corbett! Was höre ich da? Du hast deine Gemahlin mit an den Hof gebracht? Nun, sie muss wirklich eine Heilige sein, wenn sie solch einer Verbindung zuge stimmt hat!«
    Lillianes misstrauische Überraschung verwandelte sich schnell in Erleichterung, als sie das ehrlich erfreute Lächeln sah, das Corbetts Gesicht erhellte.
    »Gavin!« Er grinste Lilliane zu. »Lass dich von seinem lär menden Wesen nicht beunruhigen und von seinem Charme nicht ins Bockshorn jagen.« Dann strafte er seine eigenen Worte Lügen, indem er den älteren Mann herzlich umarmte. »Das ist mein

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