Das Herz meines Feindes
Boden.
Unterdessen zog Corbett Lilliane grob auf die Füße, als ob William ihn nicht weiter interessierte. »Leg das Kind hin!« befahl er mit wütendem Knurren.
Entsetzt und verängstigt gehorchte sie auf der Stelle. Dann zerrte er sie zur Tür und bellte nach einer Wache.
Sie hatte keine Gelegenheit, zu widersprechen oder um Gnade zu bitten. Elyse wurde schnell einer vorbeikommenden Magd in den Arm gedrückt, die das Kind wegtrug, wäh rend Lilliane von ihren eigenen stämmigen Wachen in ihr Gemach geschleift wurde. Das letzte, was sie hörte, als sie um die Ecke bogen, war das unheilverkündende dumpfe Zuschlagen einer Tür, gefolgt von dem hohen Wimmern des weinenden Kindes.
18
»Du solltest wegen ihr nicht alles gefährden.«
»Seit wann spielst du Williams Beschützer? Oder den meiner Frau?« rief Corbett schneidend. »Vie l leicht wäre es die beste Lösung, ihn zu töten. Niemand schmiedet mehr Ränke gegen den König. Niemand führt meine hübsche klei ne Frau mehr in Versuchung!«
»Außer William sind noch mehr an diesem verrät e rischen Plan beteiligt.«
Ein zynisches Lächeln umspielte Corbetts Lippen. »Ich be merke, dass du nicht hinzufügst, dass auch andere an der Ver führung meiner Frau beteiligt sind. Aber immerhin hat sie sich nicht mit irgendwelchen anderen Männern eingelassen. William ist es, um den ich mir seit jeher Sorgen machen musste. Es war immer schon William.«
»Das macht sie nicht gleich zur Verräterin.«
Corbetts Augen verengten sich. »Was ist los? Singst du über Lilliane jetzt ein neues Lied? Ich glaubte, dass du der er ste sein würdest, der ihren Verrat nun für erwiesen hält. Ihr beiden hattet doch von jeher nichts füreinander übrig.«
Dünn grinste, runzelte aber nachdenklich die Stirn. »Das bestreite ich nicht. Aber sie ist eine merkwü r dige Frau.« Er rieb sich den buschigen, blonden Bart. »Sie war wütend dar über, gefangengesetzt zu werden. Und verängstigt. Aber ob wohl sie auf dich schimpfte und nach dem Kind schrie, hat sie über William nicht ein Wort verloren.«
Corbett zuckte die Achseln. »Vielleicht deutest du zu viel in ihr Verhalten hinein. Vielleicht ist sie genauso schuldig wie er, aber sie sieht keine Notwendigkeit, mit ihm zusammen unterzugehen.«
»Das kann natürlich sein«, gab Dünn zögernd zu. »Aber trotzdem. Ich beginne zu glauben, dass nicht alles genauso ist, wie es den Anschein hat.«
»Es gibt nur einen Weg, um sich Klarheit zu ve r schaffen«, erklärte Corbett mit einem bedeutung s vollen Blick auf die schwere Tür, hinter der William gefangengehalten wurde. »Wahrscheinlich muss man nicht allzu viel Gewalt anwenden, um die Wahrheit aus ihm herauszubringen.«
»Aber ist das jetzt der richtige Zeitpunkt?«
Corbetts Antwort kam erst nach langem Nachde n ken; er schien mit seinen Gefühlen zu kämpfen. Ihm stand eindeutig der Sinn nach Rache. Doch als er sprach, waren seine Worte vernünftig trotz dem harten, sarkastischen Klang seiner Stimme. »Ich werde vorsichtig vorgehen. Ich werde mit ihm nicht über Edward oder über Verrat sprechen. Zumindest nicht im Augenblick.«
Corbett betrat die feuchte Kammer allein. William lag auf einer rauen Steinbank, die in die Wand eingemeißelt war, aber beim Anblick des Mannes, der ihn in den Kerker geworfen hatte, sprang er auf die Füße.
»Der Schlossherr selbst«, sagte William höhnisch. »Seid Ihr so unsicher, dass Eure Befehle ausgeführt werden, dass Ihr Euch mit eigenen Augen davon überzeugen müsst, dass ich im Kerker sitze? Oder habt Ihr Freude daran, diejenigen, die sich in Eurer Gewalt befinden, zu quälen?« Er lachte bitter. »Wie töricht war ich doch, Euch Lilliane nicht in London zu stehlen.«
»In der Tat. Sicherlich war es nicht Euer Ehrgefühl, das Euch davon abhielt«, höhnte Corbett, aber sein Kiefer arbei tete vor Wut.
»Mein Kind war immer noch auf Orrick. Wer weiß, welche Rache der Lockvogel des Königs genommen hätte, wenn seine Frau ihn öffentlich wegen eines anderen zum Gespött machte!«
»Lilliane würde mich – oder sich selbst – niemals auf sol che Weise beschämen. Und Euch kann man nicht einmal mehr dafür verachten, wenn Ihr so etwas auch nur andeu tet.« Trotz seines lässigen Tones hatten sich Corbetts Hände zu Fäusten geballt.
»Sie ist eine Lady«, gab William zu. »Aber zuerst einmal ist sie eine Frau. Und sie liebt Euch nicht.«
Corbett lächelte kalt. »Ihr habt nicht verstanden. Liebe steht hier nicht zur Debatte. Sie
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