Das Herz meines Feindes
ist meine Frau. Sie wird mei ne Frau bleiben. Und das könnt Ihr nicht ändern. Nein, ich glaube, es ist Zeit, dass Ihr Orrick ein für allemal verlasst.« Er wandte sich steif um, als ob er gehen wollte, aber William sprang zornig auf.
»Ich will meine Tochter haben, wenn ich gehen soll! Ich werde sie nicht in Eurem Haus aufwachsen lassen.«
»Ihr werdet niemanden haben. Weder Lilliane, noch Ely se. Es ist Winter. Das Baby würde die Reise nach Dearne bei dieser kalten Luft nicht überleben. Nein, sie bleibt hier – bei Lilliane.«
Williams Gesicht war grau vor Zorn. »Sie bleibt vielleicht bei Lilliane. Aber Ihr betrügt Euch selbst, wenn Ihr glaubt, dass Lilliane lange bei Euch bleiben wird!«
Corbett betrachtete den zerzausten Mann, als ob er Wil liams Worte für vollkommen bedeutungslos hielt. Aber seine Augen blickten wachsam. »Lilliane weiß, wo sie ihre Pflicht zu erfüllen hat. Und das ist bei mir.«
»Aber letztlich wird sie ihrem Herzen folgen. Und das ge hört mir!«
»Ihr klammert Euch daran, als ob es von irgen d welcher Bedeutung wäre«, sagte Corbett ungeduldig und scharf. »Es ist wohl bekannt, dass ich sie nicht aus Liebe geheiratet habe.«
»Nein, Ihr habt sie wegen Orrick und all der Kinder ge heiratet, die sie Euch schenken kann. Nun, denkt daran«, höhnte William, ein böses Lächeln umspielte seine Lippen, »wenn sie ein Kind unter dem Herzen trägt… ist es möglich, dass es nicht von Euch stammt.«
Einen Augenblick lang war die Kammer vol l kommen still. Niemand bewegte sich. Niemand wagte zu atmen.
Wenn Corbett den Wunsch gehabt hatte, William zu ei nem unb e dachten Schuldeingeständnis zu bewegen, hatte er eindeutig mehr bekommen, als er erwartet hatte.
Wenn William Corbett einen schmerzhaften Schlag hatte versetzen wollen, so war er erfolgreich gewesen. Aber Cor bett war so vorsichtig, dass sich William fragte, ob er sich da mit vielleicht einen Bärendienst erwiesen hatte.
Eine Ewigkeit starrten sie einander an, auf dem einen Antlitz ein verblüffter Ausdruck, auf dem anderen nackte Angst. Dann drehte sich Corbett ohne ein Wort auf dem Ab satz herum und verließ den Kerker, wobei er die Tür hinter sich zuschlug.
Das gesamte Schloss befand sich in Wartestellung. Jeder wusste, dass Lady Lilliane unter Arrest stand und dass Sir William in das selten benutzte Burgve r lies gesperrt worden war. Keiner wusste genau, was geschehen war, aber jedem war klar, wie zornig ihr Herr war. Und nun summte das Schloss unaufhörlich wie ein Bienenstock vor Gerüchten.
Ferga saß in Tränen aufgelöst in der Küche, umg e ben von den Dienern des Schlosses. »Er hat mich gefragt, ob das Kind reisen könnte.« Sie schniefte und tupfte sich mit einem alten Leinentuch die Augen. »Ob es die kalten Wintertage überle ben könnte.«
»Und was hast du gesagt?«
»Natürlich nicht. So jung wie sie ist und so winzig. Die Kälte würde dem Kind den Tod bringen.«
»Und was hat er darauf erwidert?« fragte Magda leise.
»Er… er hat eigentlich gar nichts mehr gesagt.« Ferga putzte sich die Nase und setzte sich auf. »Er ist nur zur Wie ge hinübergegangen und hat das arme Kind angestarrt, das schlafend darin lag. Er hat es unheimlich lang angesehen. Dann ist er gegangen.«
»Das war alles?« drängte der Koch. »Sonst hat er nichts gesagt?«
»Nein, nichts. Ich habe ihm hinterhergerufen, um von ihm zu erfahren, was ich jetzt tun sollte, aber er hat mir nicht geantwortet. Ich weiß noch nicht einmal, ob er mich überhaupt gehört hat.«
»Und was ist mit Mylady?« fragte eine junge Dienstmagd mit zitternder Stimme. »Sie ist so gut zu allen. Und jetzt ist sie eing e sperrt, und nur er darf zu ihr.«
»Sie war in der letzten Zeit ziemlich gereizt«, warf Ferga ein. »Vielleicht wusste sie ja, dass etwas im Busch war.«
»Sie ist einfach nur freundlich!« Das Mädchen verteidigte seine Herrin standhaft. »Wenn sie müde oder gereizt ist, dann würde es mich nicht überr a schen, wenn sie ein Kind erwartete.«
Und so entstand eine neue Welle von Gerüchten. In den Küchen, den Ställen, den Vorratsräumen und dem Webzim mer. Wo immer zwei oder drei Dienstboten sich versammel ten, begann man leise miteinander zu flüstern.
In der großen Halle jedoch lagen die Dinge vol l kommen anders. Dort saßen nur zwei Gestalten, und abgesehen vom Zischen des Feuers, das niedrig vor sich hinbrannte, war al les still.
Dünn beobachtete seinen Herrn vorsichtig. Corbett jedoch schenkte der Sorge seines
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