Das Herz meines Feindes
ein Zeichen, Corbetts Becher und seinen eigenen erneut zu füllen. »Meine Lily ist ein Juwel, jawohl, das ist sie.«
Corbetts Augen wanderten zwanglos zu Lilliane hinüber, und sie wand sich unter seinem beiläufigen Blick. Kannte er denn keine Scham? fragte sie sich zornig. Aber Lord Barton konnte das verwi r rende Glitzern in Corbetts Augen nicht wahrnehmen, und er fuhr zu sprechen fort. »Nun, unter ih rer festen Hand nimmt jedenfalls alles auf Orrick seinen mü helosen Gang.«
Corbetts Blick fiel auf eben jene Hände, und ertappte sie zu ihrem Leidwesen dabei, wie sie die Stelle an ihrem Hand gelenk rieb, wo seine Lippen sie liebkost hatten. Dann hob er die Augen langsam und blickte ihr ins Gesicht. »Ich bezweif le Eure Worte nicht. Die junge Magd, die sie zu mir geschickt hat, um für mein Bad zu sorgen, war ausschlie ß lich höflich und tatkräftig. Sie sorgte so hervorragend für meine Bedürf nisse, dass ich mich wie zu Hause fühlte. Wenn ich ihren Na men wüsste, würde ich sie Euch empfehlen. Aber bedauerliche r weise zog sie sich leise zurück, als ihre Arbeit erledigt war.« In diesem Augenblick lächelte er sie an, sein Charme war verheerend.
»Das ist gut, das ist gut.« Lord Barton strahlte, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. »Nun, Lilliane, dann lass uns mit dem Mahl beginnen.«
Lilliane war zu erzürnt über Corbetts schlaue Bemerkungen, mit denen er ihrem Vater antwortete, um ein Wort her ausbringen zu können. Alles, was sie tun konnte, war dem Kammerherrn ein Zeichen zu geben, damit sich die lange Prozession von Dienern mit Tabletts voller Speisen in Gang setzte. Mit eisigem Schweigen beobachtete sie die Ergebnisse ihrer effizienten Haushaltsführung, als der großen Gesell schaft das Mahl serviert wurde. Aber ihre Gedanken waren nicht bei den köstlichen Speisen oder den zahlre i chen Gä sten, die sich mit hungriger Entschlossenheit darüber her machten. Sie konnte nur an eines denken: an den Mann an ihrer Seite.
Sie war sich seiner Nähe auf qualvolle Weise bewusst. Sei ne Kö r perwärme schien sich auszude h nen, jedenfalls fühlte sie, wie sie langsam von Wärme eingehüllt wurde. Unwill kürlich warf sie ihm einen Seitenblick zu, nur um von der of fenen Art, mit der er sie anstarrte, aus der Fassung gebracht zu werden.
»Schaut mich nicht auf diese Weise an«, zischte sie ihn an.
»Und auf welche Weise schaue ich Euch an?« fragte er und beugte sich zu ihr hinüber.
»Ihr wisst genau, wie! Als ob… als ob…« Lilliane verhas pelte sich und spürte, wie sie errötete.
»Als ob was? Als ob ich es kaum glauben könnte, dass das Schicksal mir statt einer alten Jungfer genau die Magd zuge führt hat, die mich heute bedient hat? Als ob ich von Herzen erleichtert wäre, dass meine Braut ein so schönes Antlitz ihr eigen nennt?« Er streckte eine Hand aus, um ihre Wange zu berühren, aber Lilliane riss den Kopf zurück, um ihm ausz u weichen.
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Und wenn Ihr nicht…« Sie rang nach Worten. »Und wenn Ihr mich nicht schön gefunden hättet, wie schnell hättet ihr damit be gonnen, mit den Diens t mägden herumzutändeln?«
»Schon eifersüchtig?« Spöttisch hob er die Auge n braue. »Wenn Ihr jetzt auf unser vorheriges Zusa m mentreffen an spielt, dann weiß ich nicht, warum ihr Euch ärgert. Immerhin wart Ihr es doch, die mich in die Irre geführt hat.«
»Ich habe Euch in die Irre geführt!« zischte sie. »Nun, wenn Ihr nicht…«
»Wenn ich nicht in mein Zimmer gekommen wäre und Euch mehr Zeit gelassen hätte, um Eure Inspektion meines Gepäcks zu volle n den.«
» Das ist… das ist nicht Euer Zimmer!« sprudelte Lilliane hervor.
»Oh, aber natürlich ist es das«, widersprach er ihr. »Und so sehr ich dieses Bad auch genossen habe, ich frage mich immer noch, was Ihr damit erreichen wolltet, Euch derma ßen zu verkleiden.«
»Das war keine Verkleidung…«
Sie hielt abrupt inne, als ein Diener ihnen eine Fleischplat te reichte. Sie kochte vor Wut, wie Sir Corbett in aller Ruhe Stücke gerösteten Kapauns, zerstückelten Aals und gegrill ten Schweinefleischs für sie auswählte, damit sie von einem gemeinsamen Teller aßen. Vom Tablett eines anderen Dieners fügte er Hering, Rosinen und ve r schiedene Käsesorten hinzu. Dann groß er eine großzügige Portion bernsteinfarbenen Weins in seinen Becher und reichte ihr.
Aber Lilliane wollte von seiner spöttischen Galanterie nichts wissen. Und sie würde ihm auch nicht die
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