Das Herz Von Elowia
Schritt um Schritt schleppte er sich vorwärts. Und mit jedem Schritt, den er zurücklegte, wurde ihm sein Herz schwerer.
Seine Beine zitterten, als er vor dem Tor stand, das niemals zuvor von einem Fangaren geöffnet worden war.
Denn niemals zuvor hatte ein Fangare Drachenschlund entfesselt. Niemand hatte je einen solchen Verrat begangen. Niemand bis auf seine Tochter.
Er senkte seinen Blick und versuchte das Bild seiner Tochter aus seinen Erinnerungen zu löschen, seine Tochter existierte nicht mehr für ihn. Er hatte keine Aufgabe und auch keine Tochter mehr.
Er legte seine Hand auf das Siegel und ein Wispern erfüllte die Gänge.
»Fangare, warum willst du das Tor öffnen?«, dröhnte eine metallische Stimme über ihn hinweg und riss an seinen Flügeln.
»Weil ein Verrat gesühnt werden muss«, antworte Leondron schwach und seine Beine gaben nach. Er fiel auf die Knie. »Meine Tochter Fanjolia hat den Spiegel vergiftet.«
Schweigen. Unendliches Schweigen. Dann erhob sich die Stimme wieder: »Der Spiegel ist vergiftet worden?«
»Ja.«
Mit einem lauten Knall schwang die Türe auf und grelles Licht überflutete den Raum. Mitten in dem grellen Tunnel erschien ein schwarzes, undefinierbares Wesen. Sein Körper war dem einer Schlange, seine Füße von einem gigantischen Bären und sein Kopf dem eines Totenfliegers. Seine Haut bestand aus Fell, Schuppen und aus spitzen Dornenranken, die sich um seinen walzenförmigen Körper schlangen.
Das Tier riss sein Maul auf und stieß einen klagenden Laut aus, der die Wände zum Vibrieren brachte. Das Wehklagen dieses Geschöpfs war unerträglich. Es klang gequält und eine tiefe Hoffnungslosigkeit erfüllte Leondrons Welt.
Leondron starrte zu dem Tier hinauf. Das war also Drachenschlund.
Die glühenden Augen des Tieres ruckten herum und schielten auf den knienden Leondron. »Wächter, der Spiegel ist das älteste Wesen Elowias, die Aufgabe der Fangaren bestand darin, den Spiegel und das Herz von Elowia zu beschützen. Beides konntet ihr nicht. Zuerst verlort ihr das Herz von Elowia und nun auch den Spiegel. Sagt mir habt ihr eure Aufgabe gewissenhaft erfüllt?«
Der Fangare neigte seine Stirn zum Boden. »Nein, ich bin genauso schuldig wie meine Tochter.«
Drachenschlund ließ seine Kiefer zusammenklappen und seine Pranken schlugen auf den Boden, wo sie tiefe Furchen hinterließen.
»Du bekennst dich schuldig, Fangare Leondron?«
»Ja das tue ich.«
»So sei es dann. Ich bin das Gesetz und ich werde über dich und deine Tochter richten.«
Das Tier spie einen silbernen Strahl aus seinen aufgeblähten Nüstern und ein Feuersturm fegte über Leondron hinweg. Heiße Glut legte sich auf seine Arme, Beine und seine Flügel. Leondron drückte sein Kreuz durch, und obwohl er sich geschworen hatte, seine Strafe klaglos zu ertragen, konnte er nichts dagegen tun, dass sein Körper zuckte und er einen langen Schmerzensschrei ausstieß.
Und während er schrie, hörte er verschwommen und von weiter Ferne, die verzweifelten Schreie seiner Tochter.
Das Ungetüm stampfte an ihm vorbei und überall wo es seine Füße hinsetzte, wurde der Boden rabenschwarz. Der Geruch von Verkohltem schwängerte die Luft und machte sie kaum atembar. Sobald Leondron versuchte Luft zu holen füllten sich seine Lungen nur mit rußigen Wolken.
Vor seinen Augen segelten die Federn seiner Flügel als verklumpte Überreste hinab und verschmolzen mit dem Boden.
Das Schreien seiner Tochter schrillte erbarmungswürdig zu ihm hin und er presste seine Hände so fest, wie es ging, auf seine Ohren, dennoch hörte er sie weiterhin nach ihm rufen. Sie rief nach ihrem Vater, nach ihrem Papa, der kommen und sie retten sollte.
Das Grollen des Feuers überlagerte schlussendlich auch ihr Rufen und es wurde unnatürlich still. Alles schien zu schweigen, selbst der Wind.
Drachenschlund kam zurück. Leondron merkte es an dem schwankenden Boden. Er schlängelte sich an dem verwundeten Leondron vorbei und wandte seinen Schädel mit den glühenden Augen auf ihn. »Deine Schuld ist eine traurige Gewissheit, die Tat deiner Tochter eine Schande und die Unfähigkeit deiner Frau, die das Herz von Elowia verlor, nicht zu leugnen. Ich habe gerichtet, so wie es das Gesetz von Drachenwiese will und dennoch empfinde ich keine Genugtuung. Deine Familie hat Schmerz über mich gebracht.«
Das Tier wälzte seinen Körper weiter vorwärts auf das Tor zu. »Der Spiegel wird sich vielleicht nie wieder erholen und sterben. Ihr aber werdet ewig leben,
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