Das Herz Von Elowia
falls er sie gerade deswegen so gewählt hatte, war er ein verachtenswerter Mistkerl.
Seine Aussage beschäftigte sie auf eine unangenehme Art und Weise, denn vielleicht hatte er recht und sie war nichts weiter als eine Waffe. Ihr Diamant war jedenfalls drauf und dran, die Herrschaft über sie zu erlangen und was dann passierte, das wollte sie sich lieber nicht ausmalen.
Sie schluchzte leise, doch nicht vor Kummer, sondern vor Wut. Wut über das Leben, über ihren Stein und auch über Barrn und sogar über die Rev.
Sie kauerte sich gegen die Holzwand und lehnte ihren Kopf gegen die Planken. Wie oft hatte sie nun schon hier gesessen und gegrübelt? Es kam ihr wie eine Ironie des Schicksals vor, dass sie alle Wege immer wieder zu Barrn führten. Was das schon ein Vorzeichen der Prophezeiung, die dem Prinzen den Tod versprach? Irgendwie hofft sie, dass dieser Tag, an dem sie ihn töten würde, nie eintreten würde. Denn aus irgendeinem Grund hing ihr Herz an diesem verfluchten Bastard, der es gar nicht verdient hatte, geliebt zu werden. Und dennoch tat sie es.
Und ganz unvermittelt überraschte sie eine Vision. Sie sah Barrn, blutüberströmt, verschwitzt und dem Fieberwahn nahe.
Erschrocken blinzelte sie. Sie kniff eilig ihre Augen zusammen und versuchte sich das Bild wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber es gelang ihr nicht. Verdrießlich öffnete sie ihre Augen wieder und boxte mit der Hand gegen das Holz, dass es nur so knackte.
»Hör auf da drinnen zu randalieren«, ertönte prompt eine dunkle Stimme und es polterte von draußen gegen die Wand.
»Ich mache hier was ich will«, schleuderte sie ihm angriffslustig entgegen und schlug vor lauter Trotz noch einmal gegen die Holzlatten.
Sie bezahlte ihren Übermut mit einer blutigen Schramme auf ihrem Handrücken, doch das war es ihr wert gewesen.
»Ungezogenes Gör«, schallte es wieder durch das Holz, wo Barrn auf dem Bock saß und die Kenjas lenkte.
Lilith schmunzelte. Er hatte sich nicht mehr wirklich böse angehört.
Beinahe hätte sie wohl auch die Vision vergessen, wäre sie nicht, wie um ihr zu zeigen, dass sie nicht zur Ruhe kommen würde, mit aller Macht wieder über sie hereingebrochen. Sie konnte Barrn fast mit ihrer Hand berühren, so plastisch war dieses Mal die Sinnestäuschung. Da lag er, in seinem Blut, übersät mit tiefen Wunden, die auf seinem Körper klafften, und ihn mehr tot als lebendig erschienen ließen.
Das Bild verblasste wieder.
Lilith versuchte, ein Schluchzen zu unterdrückten. Sie konnte das Gesehene nicht einordnen. War es die Zukunft oder ihre Vergangenheit gewesen? Barrn, soweit sie das unter all dem Blut hatte erkennen können, hatte jünger ausgesehen.
Sie konnte das Wimmern nicht mehr zurückhalten und ein tiefes Schluchzen drang aus ihrer Kehle.
Abrupt hielt der Wagen an und sie hörte, wie jemand zur Tür ging und sie aufschloss. Schnell wischte sich über ihre Augen, um zu verbergen, dass sie geweint hatte.
Barrn stand davor und lächelte schief an. »Pause?«
Und ohne ihre Antwort abzuwarten, schwang er sich zu ihr auf die Ladefläche und setzte sich neben sie. Er reichte ihr seinen Mantel und sie nahm ihn als Kissenersatz dankbar an.
Der Ärmel seines Hemds hatte er hochgekrempelt, was kein Wunder bei der Hitze war, und Lilith konnte die Narben auf seinen Ober- und Unterarmen sehen.
Zögerlich streckte sie ihre Hand aus und berührte die wulstigen Erhebungen. Sein Mund zuckte, aber sonst blieb er regungslos sitzen. Doch nach einer Weile entzog er ihr seinen Arm und sagte neckisch, wie um die düstere Stimmung vertreiben zu wollen: »Ja, so sehen echte Kriegerhände aus. Da staunst du, was?«
»Hmm«, sagte sie lang gezogen. »Könnten auch die eines Holzhackers sein. Ziemlich plump.«
Er brummte säuerlich auf, konnte sich aber ein anzügliches Grinsen nicht verkneifen, als er konterte: »Oh, wenn du wüsstest, was meine plumpen Finger so alles mit dir anstellen können.«
Lilith wurde knallrot im Gesicht, sie rutschte ein Stück von Barrn weg. »Du«, keuchte sie und rang nach Worten. »Du«, wiederholte sie noch einmal und schnappte nach Luft.
Er schmunzelte. Es war ein liebevolles Lächeln, kein gehässiges, was er sonst so oft auf seinen Lippen trug.
Er sah sie sanft an und sie hörte auf, nach den richtigen Worten zu suchen. »Was ist?«, wollte sie misstrauisch wissen.
»Du weinst nicht mehr, das ist schön.«
Sie wusste nicht, was sie mehr beschämen sollte, die Tatsache, dass er gewusst hatte, dass sie geweint hatte
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