Das Herz Von Elowia
Für ihn musste sie ein entrücktes Mädchen sein, das geradewegs dem Tod entgegen lief.
»Nimm meine Energie, schnell«, bat Lilith das Tier eindringlich. »Bevor sie dich töten.«
Der Totenflieger zögerte und schlug nervös mit seinen Flügeln in der Luft. *Du bist eine Dämonin, wieso trägst du einen Stein?*
»Jetzt mach schon.«
Jolan war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt und hatte sie bald eingeholt. Sein Körper war zum Sprung bereit, um sie notfalls mit Gewalt aus der Gefahrenzone zu befördern.
Das Tier zuckte mit den Schwingen und ließ sich im Sturzflug auf Lilith fallen.
Sie hörte, wie Antara aufkreischte, und spürte, wie Jolan sie noch am Hemd packte, bevor sie der Totenflieger mit nach oben riss.
Sie fühlte, wie sich die scharfen Zähne in ihr Fleisch gruben, und sie biss sich auf ihre Lippen, um nicht laut loszuschreien, denn sie wollte das Tier nicht ängstigen und es dazu nötigen, sich doch noch an dem einen oder anderen Krieger zu vergreifen.
Der Totenflieger beäugte sie aufmerksam. *Du bist eine Dämonin, aber du bist es auch nicht. Dein Stein fühlt sich falsch an. Er ist wie eine Hülle, die mit Nichts angefüllt ist und danach trachtet, gefüllt zu werden.* Lilith keuchte und versuchte sich in dem Maul des Tieres aufzurichten, um besser in seine wilden Raubtieraugen sehen zu können. »Ich bin ein Mischblut.«
Das Tier rollte mit den Augen. *Mischblut*, schnaufte es ungehalten. *Du bist eine Dämonin, kein Mischblut. Du riechst und schmeckst nach Dämonenblut.*
Lilith versuchte ruhig zu atmen, um weniger Schmerzen zu haben. »Nimm meine Kraft und dann verschwinde von hier.«
Der Totenflieger nickte. *Bist du bereit?*, wollte er wissen.
Sie nickte und schüttelte zugleich den Kopf. Sie war ganz und gar nicht bereit und verwünschte ihren Mut, aber nun war es zu spät.
Ein scharfer Stich ging durch ihren Körper und eine unglaubliche Schwäche überfiel sie. Ihre Gedanken wurden träge, ihre Gefühle taub und sie fror. Ein tiefer, schwarzer Strudel riss sie mit sich und sie merkte, wie ihre Sinne schwanden. Eine eisige Kälte ließ sie frösteln. Sämtliche Lebensenergie floss als silberner Strom aus ihrem Körper und in das Maul des Tieres hinein. Ihre Augen flatterten und bleierne Müdigkeit legte sich über sie. Ihr Kopf sank zurück. Unter ihr tanzten die Krieger, wie kleine Ameisen, vor ihren Augen. In ihren Ohren rauschte ihr Blut und sie fühlte sich plötzlich schwerelos. Sie schwebte dahin, über allem und jedem. Sogar über ihrem eigenen Körper. Es war als hätte sie sich einer Hülle entledigt, die sie an dieses Leben gebunden und gefangen hatte. Jetzt hatte sie ihre Rüstung abgestreift und war leicht und frei wie ein Vogel.
Gerade als sie ein Gefühl der Glückseligkeit durchströmte, riss sie ein harter Ruck in ihren Körper und ins Leben zurück. Zwei heiße Augen musterten sie. *Komm zurück, kleine Dämonin, lass dich nicht von Illusionen treiben.* Sie sah das Wesen vor ihr verwirrt an. Sie brauchte einige Zeit, um zu begreifen, wo sie war. In dem Moment, wo es ihr wieder bewusst wurde, legte sich der harte Panzer wieder um ihre Brust und zog sie mit sich nach unten. Sie fiel und fiel, aber nicht wirklich weit. Der Totenflieger hatte sie abgesetzt und sich wieder in die Luft erhoben. *Bitter*, raunte er und er zeigte mit seiner Klaue auf ihren Diamanten. *Er schmeckt bitter. Die Kriegersteine schmecken nach scharfen Gewürzen, die Heilsteine nach süßem Obst und die Steine der Unwissenheit nach frischem Gras, aber dein Diamant schmeckt einfach nur bitter.* Er sah sie anklagend an. *Pfui. Die Bitterkeit auf meiner Zunge geht gar nicht weg, aber er hat satt gemacht.*
Sie war so sprachlos über die Dreistigkeit des Geschöpfs, dass sie ihn nur mit offenem Mund anstarrte. Wie konnte er nur den Geschmack ihres Diamanten bemängeln, wo sie gerade ihr Leben für ihn riskiert hatte?
*Pfui. Pfui. Kein Diamant schmeckt so grauslich wie deiner*, beanstandete er noch einmal, dann drehte ab und flog ohne ein einziges Wort des Dankes nach Norden davon.
Sie schüttelte pikiert über sein Verhalten ihren Kopf. Diese Tiere gehörten wohl nicht zu einer wohlerzogenen Spezies, wie sie verdrießlich feststellen musste.
Sie sah auf ihr Juwel, es war glanzlos, stumpf und sie musste um Luft ringen, so sehr strengte sie jeder Atemzug an. Der Stein beanspruchte jegliche Lebensenergie für sich und seine Wiederherstellung. Als sie ihn berühren wollte, funkelte er beleidigt auf, als könne
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