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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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Lippen und schloss die Augen.
    »Was war das?«, fragte sie.
    »Tja, also, ich weiß nicht, wie ich das erklären soll.« Ich musterte sie und trank einen Schluck Wein. »Woran erinnerst du dich?«
    »Ein Mädchen, festgezurrt und nur halb vorhanden. Wie eine Art Experiment.«
    Ich nickte. Sie atmete tief. Ihre Herzfrequenz verlangsamte sich. Ich glaubte, sie sei beinah eingeschlafen, als sie sich plötzlich rührte.
    »Was also war es?«
    »Eine Legende«, antwortete ich. »Vergiss es. Nur ein Traum. Wir reden später darüber.«
    »Später. In Ordnung.« Mehrere tiefe, langsame Atemzüge. »Wo ist Wilson?«
    »Ich war noch nicht bei ihm. Ich wollte dich weder transportieren noch hier zurücklassen. Ich habe die Wunde verbunden. Wir gehen zu ihm, wenn du kräftig genug dafür bist.« Ich stellte die Flasche ab und beugte mich näher zu ihr. Auf ihrer Bluse prangte frisches Blut. »Ich glaube, du blutest wieder.«
    »Oh«, sagte sie.
    Ich zupfte den Verband zurecht und faltete behutsam die Bluse über ihre Brüste. Die Wunde war klebrig. Um die Ränder trat ein wenig Rot aus. Der Metallpfropfen hatte sich gelöst. Ich zog daran und erblickte darunter rotierende Mechagene. Kurz verzog ich das Gesicht, dann zurrte ich den Verband fest, fügte mehr Mull hinzu und schloss die Bluse wieder.
    »Das sollte halten. Aber die nächsten paar Tage kein Polo, in Ordnung? Em?«
    Ihre Lippen hatten sich erneut geteilt, ihr Atem ging tief und gleichmäßig. Ich schlich zurück in die Küche und schusterte mir eine Mahlzeit aus altem Brot und Reiseproviant in einer Dose zusammen. Damit setzte ich mich an den Schreibtisch im Salon, eine Kerze, deren Licht ich dämpfte, neben mir, damit ich Emily sehen konnte, während draußen die Nacht Einzug hielt.
    Ihr Gesicht glich einem warmen Mond, der in der Düsternis schwebte. Während ich aß, beobachtete ich sie und lauschte den Geräuschen der Stadt draußen.
    Ich war Emily schon zuvor begegnet. Vor allem, bevor der ganze Mist passierte. Ich war Emily begegnet, als ich noch in der Akademie war. Nur kannte ich sie damals noch nicht.
    Die Jungs vom Zwölften Kader und ich hatten es uns angewöhnt, uns an Freitagabenden nach Feldübungen zu betrinken. Es war unser einziger freier Abend. Theoretisch hatte die Elite der Pilotenkader jeden Abend frei. Immerhin verkörperten wir den Adel. In der Praxis jedoch hatten wir angesichts des täglichen Exerzierens, des Unterrichts im Klassenzimmer und der Erholungsphasen zwischen den Schichten der chirurgischen Eingriffe an den meisten Abenden nicht einmal Minuten für Freizeit übrig. Ein Versehen bei der Zeitplanung bescherte uns die Freitage. Die meisten jener Nächte glichen einem betrunkenen Chaos, Zeit, die wir damit verbrachten, uns zu entspannen. An die meisten jener Abende erinnerte ich mich gar nicht. An diese eine Nacht jedoch schon.
    Ich erholte mich gerade von der letzten Runde der Aggregatoperationen. Man staffelte unsere Erholungsphasen, sodass die meisten von uns alle Klassen durchliefen. Die Gesunden waren verpflichtet, den Rekonvaleszenten dabei zu helfen, keine Unterrichtszeit zu verlieren. Ich verbrachte die Woche in meiner Kaserne und versuchte, Hammetts Aufzeichnungen zu entschlüsseln. Blödes Gekritzel. Aber ich bestand alle Tests, alle Untersuchungen. Ich hatte die Lizenz zum Fliegen. Schon am nächsten Tag. Daran erinnerte ich mich gut. Es war meine letzte Nacht als Pilot.
    Wir gingen zum Falschen Zahn , unserem Stammlokal. Ich fühlte mich blendend. Nach einer Woche im Bett mit einer Kost aus Getreideflocken und Wasser wurde ich ziemlich schnell äußerst betrunken. Der Abend begann für mich gut. Reichlich Mädchen, und allen gefiel die Uniform. Gewöhnliche Mädchen – Mädchen, deren Väter ich nicht kannte. Mädchen ganz nach meinem Geschmack.
    Emily arbeitete damals. Was ich nicht wusste. Ich vermute, zu der Zeit hätte es für mich schon eine Rolle gespielt. Es hätte mich aus anderen Gründen als heute gestört.
    Sie stand an der Bar, wir hatten einen Tisch. Andere Mädchen gingen umher, lachten, hielten Hände und tranken alles, wozu wir sie einluden. Emily war atemberaubend und stand abseits. Sie unterhielt sich mit verschiedenen Männern und schien den Kneipenwirt zu kennen. Ich hatte sie zuvor noch nie gesehen.
    Als die Zeit kam, als ich das Gefühl hatte, es sei der richtige Moment, ging ich zur Bar. Ich tat so, als sei ich ungeduldig und wolle nicht warten, bis die Kellnerin auf ihrer Runde wieder zu uns käme.

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