Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
dazu.«
»Ziemlich weise für eine Hure.«
»Das sagst du andauernd. Hältst es wohl für geistreich. Allmählich habe ich die Nase voll davon.« Sie trank, zuckte zusammen. »Nicht, weil es schmerzt, dass du mein wahres Wesen kennst. Nicht, weil ich mich dafür schäme. Ich habe die Nase voll davon, weil es so plump ist. Ich hätte wirklich mehr von dir erwartet. Ich dachte, du wärst besser als das.«
Ich schwieg. Mir gefiel nicht, welche Steine sie umdrehte, an welchen Schorfen sie kratzte. Ich hatte eine Weile gebraucht, um es so weit zu schaffen, um mich aus dem Dreck zu ziehen, zu dem mein Leben verkommen war. Dass ich glücklich war, konnte ich zwar nicht behaupten, aber ich war zufrieden.
»Worauf willst du hinaus?«
»Denkst du, deine alten Freunde würden wieder mit dir reden, wenn wir dich herausputzen? Dir vielleicht eine dieser schnittigen Hosen kaufen, die dir so gut stehen? Könntest du dann wieder in diesen Kreisen verkehren?«
Ich bedachte sie mit einem unfreundlichen Blick. Sie lächelte, drehte mir das Gesicht zu und zwinkerte.
»Ich kenne einige Leute, Jacob. Freunde. Sie hätten gern einen Freund in diesen Kreisen.«
»Dieser Freund bin ich nicht.« Ich schüttelte den Kopf und deutete auf die dreckige Kneipe. »Falls es deiner Aufmerksamkeit entgangen ist, ich verkehre nicht mehr in jenen Kreisen.«
»Freiwillig«, gab sie zurück. Ich setzte dazu an, ihr zu widersprechen, aber sie legte mir die Finger auf das Handgelenk. Feuer durchströmte mich. »Ich weiß. Du willst mir sagen, dass du verstoßen wurdest, dass man dich schneidet. Aber das liegt an dir. Du selbst lässt deinen Verfall zu.«
»So einfach ist es nicht«, entgegnete ich.
»Nichts ist einfach. Aber ich glaube, wenn wir dir etwas Geld, einen Platz zum Wohnen und die Möglichkeit geben, dich herauszuputzen, wärst du überrascht, wie viele deiner alten Freunde wieder aufkreuzen würden.«
»Das glaube ich kaum. Nicht die Leute, die ich kannte.«
»Tja, du bist auch nicht mehr der Freund, den sie kannten. Du bist etwas anderes. Etwas Gefährliches. Und Menschen in jenen Kreisen haben gern gefährliche Freunde.«
»Vielleicht.«
»Glaub mir. Ich weiß es.« Sie ließ ein verschlagenes, fast zorniges Lächeln aufblitzen. »Die Schönen haben gern verflucht gefährliche Freunde.«
Ich schaute erneut zu meinem Tisch und zu den Trunkenbolden und Verbrechern, in deren Umfeld ich die vergangenen zwei Jahre verbracht hatte.
»Was würde ich denn tun?«
»Gefälligkeiten«, antwortete Emily. »So funktioniert die Sache. Gefälligkeiten und Freunde.«
Ich nickte. Sie lächelte abermals, dann schlang sie den Arm um meinen Ellbogen.
»Bezahl, dann gehen wir, um jemanden zu besuchen. Einen guten Freund. Einen besonders gefährlichen Freund.«
»Wen?«
»Einen Mann namens Valentine.«
Kälte schoss durch meine Knochen, aber ich nickte, und sie führte mich hinaus.
Erschrocken erwachte ich, dann stand ich auf. Mein Stuhl kippte zurück und prallte gegen den Schreibtisch, bevor er auf den Hartholzboden fiel. Emily sah mich mit halb geöffneten Augen an.
»Hast du geträumt?«, fragte sie. Ihre Stimme klang trocken und rau. Ich ging los, um Wasser zu holen, wobei ich mir unangenehm meiner rasch abklingenden Erektion bewusst war. Ich wusch mir unter dem kalten Wasser aus dem Hahn die Hände, bevor ich Emily ihr Glas brachte.
»Ja«, antwortete ich schließlich. »Ich glaube schon.«
Emily stemmte sich in eine sitzende Haltung, zuckte zusammen und vermied es, Druck auf ihren verwundeten Arm auszuüben. Sie trank etwas Wasser.
»War es etwas Gutes? Dein Traum?«
Ich schüttelte den Kopf, nahm das leere Glas und stellte es auf den Schreibtisch.
»Bist du hungrig?«, fragte ich.
»Vielleicht.« Sie rieb sich mit einer Hand die Augen, bevor sie den Blick durch den Raum wandern ließ. »Sind wir hier sicher?«
»Nein. Jedenfalls nicht ganz. Die Besitzer könnten zurückkommen, oder ein Nachbar könnte neugierig werden und uns melden. Aber das ist noch nicht passiert.« Ich ging in die Küche, legte etwas alten Räucherspeck in ein Brötchen und kehrte damit zurück. Emily starrte aus dem Fenster. »Iss das.«
Sie ergriff das Brötchen und verspeiste es gehorsam, einen mechanischen Bissen nach dem anderen. Als sie fertig war, gab ich ihr mehr Wasser, gestreckt mit dem Rest des Weins.
»Danke«, sagte sie und wischte sich die Hände an dem kostbaren Kalbslederdiwan ab. »Ich bin dir etwas schuldig.«
»Eher nicht«, gab ich
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