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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Niederlage und ehrenhaftem Tod; jetzt war den Qar zuteilgeworden, was sie gesucht hatten und woran sie glaubten. Und ob er nun einer von ihnen war oder nicht, ihm schien dasselbe zuteilzuwerden.
    Wieder erbebte die Welt. Diesmal folgte Dunkel.

    All die Jahre, die sie ihren Vater und Shaso davon hatte reden hören, all die bei Hofe so beliebten Geschichten von Tapferkeit und Wagemut — nichts davon hatte Briony Eddon auf die Wirklichkeit des Krieges vorbereitet. Es war ein einziges Chaos — Gebrüll, schwirrende Pfeile, Blut, vergossen wie Wasser —, und wenn beide Heere aus Menschen bestanden hätten, wäre es unmöglich gewesen, Freund und Feind zu unterscheiden. Unter den gegebenen Bedingungen hatte Briony Mühe, im Bewusstsein zu behalten, dass diejenigen Kreaturen, die aus Alpträumen entsprungen schienen, ihre Kampfgefährten waren oder zumindest gegen denselben Feind — die xixischen Soldaten — kämpften. Wesen, die sich wie Affen oder Bären bewegten, aber Rüstung trugen, andere, die wie Insekten mit einem Satz ein Dutzend Schritt weit sprangen, um dann mit schlanken, nadelspitzen Speeren zuzustechen, wieder andere, so gänzlich von wehendem, dunklem Tuch verhüllt, dass man nichts von ihnen sah als ein orangerotes Flackern, da wo das Gesicht hätte sein müssen — es war, als wären die gemalten Illustrationen aus Vater Timoids alten Gebetbüchern lebendig geworden, als hätten sich Dämonen und Ungeheuer von den beschriebenen Seiten in die Welt ergossen.
    Im ersten Ansturm hatten die Tempelhunde tiefe Breschen in die ungeordneten Scharen von Xixiern geschlagen, die aus dem Lager eilten, um den Rest der Qar in der Höhle zu halten. Rasch jedoch hatte sich Widerstand formiert, und Briony sah jetzt, dass Eneas' Männer von Südländern umringt waren und sich aus dieser Bedrängnis würden herauskämpfen müssen. Zudem eilten immer noch mehr Xixier herbei, Männer, die im Laufen ihre Kampfpanzerung anlegten. Drei der xixischen Kanonen waren bereits umgedreht und zielten jetzt statt auf die Mauern von Südmarksburg auf den Höhleneingang. Die mächtigen Geschütze knallten und spuckten Feuer, und jeder Schuss verwandelte ein weiteres Stück Fels am Fuß des Hügels in Gesteinsschutt, Rauch und Staub.
    Im Moment war Briony vergleichsweise wenig gefährdet, solange sie den Kopf unten hielt — sie war von Eneas' Männern umgeben, gut geschulten Reitern, die jetzt in enger Formation mit ihren Speeren und Schilden gegen die vorwiegend zu Fuß kämpfenden Xixier standen. Nur Eneas und ein paar andere ganz außen hatten sich der Speere zugunsten von Schwert oder Axt entledigt. Briony sah Eneas blitzschnell zwei Fußsoldaten ausschalten, indem er mit dem Schild den Speerstoß des einen ablenkte, augenblicklich mit einem Schwerthieb den Helm des Mannes spaltete und dann dem zweiten die Klinge in den Hals stieß. Als der Mann mit blutüberströmter Brust fiel, musste Briony wegschauen — nicht wegen des Xixiers, nein: Eneas sein Leben riskieren zu sehen war fast so schmerzhaft, wie ihren Vater gefunden zu haben und nicht befreien zu können.
    Ein Tempelhund ganz in ihrer Nähe war in Bedrängnis. Sein Fuß war aus dem Steigbügel gerutscht; zwei Xixier versuchten, ihn aus dem Sattel zu zerren. Briony sprengte vorwärts. Als Heranwachsende war sie öfter bei Turnieren mit der Lanze gegen die Stechpuppe angeritten — einer der ersten Punkte in der Debatte mit Shaso, was sie dürfen sollte und was nicht, in denen ihr Vater sich auf ihre Seite gestellt hatte —, aber der kurze Speer, den ihr der syanesische Waffenmeister gegeben hatte, war mit einer Turnierlanze nicht zu vergleichen. Er war so leicht, dass er sich fast schon anfühlte wie das Schilfrohrschwert ihrer Kindheitszweikämpfe mit Barrick. Sie stieß mit Wucht auf den ihr nächststehenden Gegner des Tempelhunds ein und traf ihn genau unter der Achsel. Der Speer drang mehrere Zoll ein, hauptsächlich wegen des Tempos ihres Pferds; der Mann ließ schreiend ihren syanesischen Kampfgenossen los, taumelte rückwärts und brach zusammen. Im nächsten Moment brachte das trampelnde Pferd eines anderen Tempelhunds den verwundeten Syanesen endgültig zum Schweigen.
    Der zweite Xixier war durch den Schrei und das nachfolgende Los seines Kameraden abgelenkt; als Briony ihr Pferd wendete und erneut auf ihn zusprengte, weitete Schreck seine Augen. Er ließ Arm und Kettenhemd des Syanesen los, riss den Schild hoch, um Brionys Speer abzuwehren, und verfehlte sie nur

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