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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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knapp mit seinem, als sie vorbeipreschte. Der Reiter, dem sie zu Hilfe gekommen war, fand seinen Steigbügel wieder und bearbeitete, sobald er wieder fest im Sattel saß, den Südländer mit wuchtigen Schwerthieben. Ein weiterer Tempelhund ritt heran und schwang seine Klinge gegen den Hals des Xixiers, ehe dieser die neue Gefahr auch nur bemerkte. Der Mann fiel zu Boden, lag mit halb abgetrenntem Kopf in einer Pfütze aus Blut und Dreck.
    Es war Kampf auf Leben und Tod. Echter, blutiger, schrecklicher Kampf, das, was Shaso sie gelehrt, was sie aber nie wirklich kennengelernt hatte. Es war grausig. Es war auch erstaunlich, aber vor allem war es grausig. Sie war so töricht gewesen, sich hineinzubegeben, und jetzt konnte sie dem nicht entkommen. Das hier war kein Gesang, kein Gedicht; es war Blut und Scheiße und das Schreien von Männern und Pferden.
    Während ihr Herz hämmerte und raste, konzentrierte Briony Eddon ihr ganzes Denken darauf, am Leben zu bleiben.
    Ein Mann war auf ihr; sein Knie presste ihr Schwert an ihre Brust. Sie konnte sich nicht genau erinnern, wie es dazu gekommen war — etwas, das sie von hinten traf, ein Stolpern, ein Ausrutschen, dann aus dem Nichts dieser Kerl —, aber es spielte auch keine Rolle mehr: Gleich würde er seinen Dolch aus dem Gürtel ziehen, um sie zu töten, und sie war nicht stark genug, um ihn daran zu hindern. Nichts — nicht ihre Familie, nicht ihr königliches Blut oder ihr prinzlicher Beschützer, nicht einmal die Halbgöttin — konnte sie jetzt retten. Briony drückte mit aller Kraft gegen das Schwert, um die Hände des Mannes zu beschäftigen, auch wenn es sich anfühlte, als müssten ihre Arme jeden Moment brechen. Der Xixier hing auf bizarr-intime Art über ihr, murmelte Worte, die sie nicht verstand; Schweiß troff von seinem Gesicht auf ihres. Seine zusammengepressten Zähne, der Schnurrbart wie zwei Pferdeschweife, die riesigen, hervorquellenden Augen machten sein Gesicht zu einer dämonischen Zosimia-Maske.
    Etwas sauste an ihrem Kopf vorbei, ein dunkles Flattern, als wedelte jemand mit der Hand vor der Sonne. Der Druck auf ihrer Brust ließ plötzlich nach, als der Xixier nach hinten kippte, die Hand ums Gesicht gekrallt. Dann gab er einen seltsamen Grunzlaut von sich und fiel von ihr herunter.
    Briony drehte sich auf den Bauch und blieb keuchend liegen, wurde sich dann ihrer Verletzlichkeit bewusst, so ungeschützt am Boden, inmitten einer Schlacht. Als sie sich auf Hände und Knie hochstemmte, sah sie den Leichnam des Xixiers, der sie hatte töten wollen: Die Zunge hing ihm halb aus dem Mund, bereits geschwollen. Ein ganzes Feld von feinen Nadeln wuchs aus seinen Augen. Gefiederte Nadeln.
    Keine Nadeln,
erkannte sie verblüfft —
Pfeile. Klitzekleine Pfeile.
    Ringsum schrien jetzt Männer, viele in Panik. Ein weiterer Schatten flatterte vorbei, noch einer. Briony blickte in die sich rasch verdunkelnde Luft, folgte mit zusammengekniffenen Augen den kleinen dahinschießenden Schatten. Vögel. Hunderte von Vögeln schwirrten über die Knäuel kämpfender Männer, und sooft einer hinabstieß und wieder emporzog, griff sich ein taumelnder Xixier an Gesicht oder Kehle. Viele Südländer rannten blindlings davon, die Arme schützend überm Kopf, als verfolgte sie ein Schwarm wütender Bienen.
    Die Leutchen des kleinen Mannes,
dachte sie, während sie auf den Wahnsinn starrte.
Giebelsowieso. Er hat doch gesagt, sie reiten Vögel.
    Viele Xixier flohen bereits Hals über Kopf in Richtung Lager. Die, die am Strand weiterkämpften, fanden sich bald in der Minderzahl. Zum ersten Mal schien es Briony möglich, dass sie den nächsten Tag erleben würde.
    Ein weiterer Vogel sauste an ihr vorbei, so nah, dass sein Flügel ihr Gesicht streifte und sie den schrillen Schlachtruf des Reiters hörte:
»Für die Königinnen! Für die Königinnen!«
Und es folgten immer noch mehr, ein Sturm von Flügelschlagen, der sich in schwarzen Wolken zwischen die flüchtenden Xixier herabsenkte, sie ins Taumeln und zu Fall brachte.
    Barmherzige Zoria!
Briony rappelte sich hoch.
Wenn ich das hier überlebe — diesen Moment vergesse ich nie ...

24

Ungehorsame Soldaten
    »In einem weiteren Traum kletterte Adis die Eiche hinauf immer höher und höher. Als er die oberen Äste erreichte, stellte er fest, dass er die Sterne selbst berühren konnte; sie sangen zu ihm und baten ihn, ihren Vater zurückzubringen ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch

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