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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kamen überraschte, verblüffte und entsetzte Rufe.
    Inmitten dieses flackernden Weltuntergangs stürzten sich beide Parteien wieder aufeinander. Jetzt, da ihre Fluchtschiffe verloren waren, kämpften die Xixier immer verzweifelter. Die Frontlinie bewegte sich wie etwas Lebendiges. Im einen Moment schienen die Qar und die Syanesen gerade im Begriff, die Xixier zu überrennen und aus ihrem Lager zu treiben, gleich darauf folgte eine neue Konvulsion der Kämpferreihen, und die Verzweiflung war jetzt aufseiten der Syanesen und Qar, die zum Wasser der Brennsbucht getrieben wurden.
    Eine knisternde Feuerspur schnellte von einem Punkt hinter Briony im Bogen durch die Luft und setzte eins der nächststehenden xixi schen Zelte in Brand. Ein Dutzend weiterer Feuerspuren folgten; mehrere trafen Gebäude am Hafen und entzündeten die Dächer. Ein paar erreichten sogar den Wachturm der Stadt, der gleich darauf ebenfalls loderte wie eine Riesenfackel.
    Brandpfeile! Woher kam dieser Angriff? Vom Wasser? Die Bucht glänzte schwarz wie Pech, durchsetzt mit flimmerndem, zuckendem, grellglühendem Licht. Die Schiffe des Autarchen brannten jetzt allesamt, und die Seeleute schwammen um ihr Leben — wer konnte diese Pfeile abschießen?
    Die Antwort erhielt sie kurz darauf, als lange, schwarze Schemen auf den Strand glitten: Dutzende niedriger Boote, durchs seichte Wasser geschoben von dunklen Gestalten, die, sobald sie die Boote auf Sand gesetzt hatten, mit gellendem Kriegsgeheul heranstürmten, wobei manche noch im Laufen weitere Brandpfeile auf das xixische Lager abschossen. Warum halfen sie den Qar und den Syanesen? Wer war das?
    Skimmer!,
erkannte sie verblüfft, als die ersten der langarmigen Gestalten das Kampfgeschehen erreichten und sich auf die nächststehenden Xixier warfen.
    »Für Egye-Var!«, schrien sie, während sie mit ihren Fischspeeren zustießen und seltsame Schwerter führten, die so kurze, plumpe Klingen hatten wie Fleischermesser. Die Südländer wichen entsetzt vor diesem unerwarteten Angriff zurück.
    Briony fühlte einen Schrei ihre Kehle emporsteigen. »Für Erivor — und das Haus Eddon!«, rief sie, gab ihrem Pferd die Sporen und sprengte mitten ins dichteste Getümmel.

    Barrick sah das Mädchen durchs Labyrinth kriechen, als wäre er ein Vogel, der hoch über ihr schwebte, fern und unbeteiligt. Er sah sie hoffnungslos umherirren, fand aber seine Stimme nicht, um es ihr zu sagen, und war sich auch gar nicht sicher, ob er sich die Mühe machen sollte. Das schwarzhaarige Mädchen kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er kam nicht auf ihren Namen. Das enttäuschte ihn, wenn er auch nicht wusste, warum.
    Sie ist kostbar,
erklärte ihm eine Stimme.
Kostbarer, als selbst du ahnst.
Es war der blinde König, der da sprach, das wusste Barrick, aber er verstand nicht, warum diese namenlose junge Frau ihm irgendetwas bedeuten sollte.
    Erste der Letzten,
erklärte ihm der König.
Letzte der Ersten.
Was sollte das heißen? Warum war das Denken so schwer?
Lass sie nicht im Stich,
sagte der König.
    Er versuchte zu fragen,
Wie meint Ihr das?
Aber es kam nichts über seine Lippen. Er hätte eine stumme Kreatur sein können, ein Vogel, ein Pferd, etwas, das Dinge sah, die weit über seinen Verstand hinausgingen.
    Erste der Letzten,
sagte die Stimme, diesmal leiser und weiter weg.
Letzte der Ersten. Hochzeit der Toten. Hoffnung für die Lebenden ...
    Was heißt das?
Aber er konnte immer noch nicht sprechen; die Worte waren nur in seinem eigenen Kopf, nur in seinen einsamen Gedanken.
    Nein, Barrick Eddon.
    Diese Stimme klang anders, näher — und es war eine weibliche Stimme. Konnte es das dunkelhaarige Mädchen sein? Hatte sie ihn jetzt doch bemerkt?
    Komm zu uns zurück, Barrick Eddon. Komm zurück. Es ist noch nicht Zeit für diese Reise. Es sind die falschen Straßen.
Das Dunkel rann langsam davon wie der Sand einer Sanduhr, und dahinter erschien eine andere, hellere Welt.
    »Nein!«, rief Barrick, der jetzt endlich seine Stimme wiederfand. »Sie ist verloren! Verloren ...«
    »Sie hat noch eine Chance«, sagte jemand — eine andere weibliche Stimme, dunkler und vertrauter als die erste. »Gib die Hoffnung nicht auf.«
    Ein Gesicht blickte auf ihn herab, ein helles Oval mit schwarzen Augen und einem so ruhigen und geduldigen Ausdruck, als wäre es in Marmor gehauen — Saqri, die Königin der Zwielichtler.
    »Hoffnung ...?«, fragte er. Ihm war schwindelig, und gleichzeitig tat ihm alles schrecklich weh. Ein Schatten, fiel

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